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Quellen zur Filmgeschichte 1923-1929: HCITR
Eine kurze Einführung in die Geschichte der
Zensur während der Rheinlandbesetzung.
Zwei Schreiben zum Problem: Zensurpraxis 1921
Abschrift
Betrifft: Lichtbildstreifen in besetzten
Gebiet.
Erlass vom 21. Mai 1921 I M. 3995.
Wie ich bereits unter den 30.v.Mts. berichtet habe,
hatte, die Interalliierte Rheinlandkommission mir vor längerer
Zeit mitgeteilt, dass sie bereit sei, mit einem von mir zu
benennenden Vertreter die Frage zu erörtern, wie den von
deutscher Seite vorgebrachten Beschwerden über die Befreiung
alliierter Bildstreifen von den deutschen Einfuhr- und Zensur=
vorschriften abgeholfen worden könne. Ich habe der Rheinland=
kommission daraufhin seinen zuständigen Referenten, den Ge=
heimen Regierungsrat Dr. Claussen, zur Verfügung gestellt.
Die Besprechung des von der Rheinlandkommission mit der Er=
örterung betrauten Wirtschaftskomitees mit Geheimrat Claussen
hat heute stattgefunden. Das nähere über ihren Gang ergibt sich
aus der in der Anlage abschriftlich beigefügten Aufzeichnung.
Wenn nunmehr noch etwas erreicht werden soll, um den schädi=
genden Wirkungen der Verordnung N°. 74 vorzubeugen, so werde
ich entsprechend dem mir gestellten Ersuchen der Rheinland=
kommission einen positiven Vorschlag unterbreiten müssen.
Nach
den Herrn Reichsminister des Innern,
(Herrn Staatssekretär f.d.bes.rhein.Gebiete)
B e r l i n N.W.40
den Preuss.Herrn Minister des Innern Berlin )
das Auswärtige Amt " )
den Herrn Reichsminister der Finanzen " )
den Herrn Reichsminister der Justiz " ) mit der Bitte um
den Herrn Reichswirtschaftsminister " )
den Preuss.Herrn Minister der Justiz " ) Kenntnisnahme.
den Preuss.Herrn Minister für Handel )
und Gewerbe " )
den Preuss.Herrn Minister für Wissen= )
schaft Kunst und Volksbildung " )
(- 2 -)
Nach dem Ergebnis der heutigen Besprechung kann dieser Vor=
schlag sich meines Erachtens nur in der Richtung der Organi=
sation einer sowohl von alliierter, wie von deutscher Seite
zu besetzenden Zensurstelle bewegen. Ich verkenne nicht die
Bedenken, die gegen das Zusammenwirken deutscher und alliier=
ter Mitglieder einer solchen Zensurstelle geltend gemacht werden können,
erblicke aber hierin den einzigen Weg um auf die Einführung
alliierter Firmen Einfluss zu gewinnen. Aus verschiedenen
naheliegenden Erwägungen halte ich es für zweckmässig, eine
einzige Zensurbehörde einzurichten und zwar mit dem Sitz in
Köln. Sie würde zweckmässig wohl mit dem dortigen Polizei=
präsidium verbunden werden. Ich darf bitten, mich baldigst,
möglichst drahtlich, mit Weisung versehen zu wollen.
Unterschrift.
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Coblenz, den 13. Juni 1921.
Ich habe heute an der Sitzung des erweiterten Comté Econo-
mique der Rheinlandkommission teilgenommen, in welcher die Ver-
ordnung No. 74 der Rheinlandkommission betreffend Lichtbild-
streifen aus alliierten Ländern erörtert werden sollte. Der
Vorsitzender, Oberst Voisin, forderte mich auf, die vom Reichs-
kommissar der Rheinlandkommission in Aussicht gestellten prak-
tischen Vorschläge zu machen. Ich erklärte dass es uns fern lie-
ge, den Angehörigen der Armee das Rechte die Vorführung von Fil-
men mit einem ihnen verständlichen Text zu beanspruchen, irgend-
wie streitig machen zu wollen. Es gäbe dafür aber Wege, welche
den deutschen Interessen weniger schädlich wären, als es die Be-
stimmungen der Verordnung No. 74 seien. Der Vorsitzende erwi-
derte darauf, unsere Beschwerden hätten sich gegen die Ausser-
kraftsetzung der beiden deutschen Gesetze bezüglich der Einfuhr
und bezüglich der Vorführung von Lichtbildstreifen gerichtet.
Was das erstere Gesetz angehe, so könne man in diesem Fall un-
möglich, wie wir es getan hätten, von einer Wiederaufreissung
des Loches im Westen sprechen. Es handele sich doch in diesem
Falle um einen ganz genau begriffsmässig festgelegtem Gegenstand.
Die Einführung von Firmen aus alliierten Ländern würde sich
immer in einem zahlenmässig sehr beschränkten Umfang halten,
sodass die aus der Freigabe der Einfuhr wirtschaftlichen Schä-
digungen nicht eintreten könnten.
Was nun die Ausserkraftsetzung der deutschen Zensurbestim-
mungen anbeträfe, so könne er auch darin eine Gefahr nicht er-
blicken, da die Delegierten der Rheinlandkommission jederzeit
bereit sein würden, gegen jeden Film, dessen Vorführung irgend-
wie zu Beunruhigung, auch in der deutsches Bevölkerung Anlass
geben könne, einzuschreiten. Ich habe ihm erwidert, dass die
Gesichtspunkte, unter denen die Armeen beziehungsweise die
Delegierten
(- 2 -)
Delegierten die Filme prüften, doch naturgemäss andere seien,
als die der deutschen Polizei. Es gäbe manche Filme, gegen wel-
che die deutsche Polizei einschreiten müsse, während militärische
Interessen ein Einschreiten nicht erforderlich machten. Bei-
spielsweise könnte ich mir nicht denken, dass durch Aufführung
eines unsittlichen Filme eine für die Besatzungsarmee gefährliche
Beunruhigung der Bevölkerung, welche den Delegierten zum Einschrei-
ten berechtigte, entstehen könnte. Der Vorsitzende unterbrach
mich mit der Frage, ob ich behaupten wolle, dass die Armeen ein
Interesse an der Aufführung unsittlicher Films hätten. Ich er-
widerte: "Nein, aber sie haben nicht immer ein unmittelbares
Interesse daran, die Vorführung solcher Filme zu verbieten. Die
deutsche Polizei, die insbesondere den Schutz der Jugendlichen
wahrzunehmen hat, muss einen schärferen Masstab anlegen, als es
die Armee zu tun braucht." Diese Ausführungen wurden von den
Vertretern der anderen Nationen zustimmend aufgenommen und eine
weitere Bemerkung des französischen Vorsitzenden, dass auch die
Soldaten grosse Kinder seien, die geschützt werden müssten,
wurde unter allgemeiner Heiterkeit abgelehnt.
Auf das Ersuchen, nunmehr praktische Vorschläge zu machen,
wies ich zunächst darauf hin, dass die Armeen besondere Kinos
lediglich für ihre Soldaten in Anspruch nehmen könnten. Der Vor-
schlag wurde einmütig zurückgewiesen. Es wurde bemerkt, dass eine
solche Massnahme eine grosse Belastung für das Reich bedeuten
würde, und dass sie ferner zur Folge hätte, dass an vielen Orten
für die Zivilbevölkerung nicht mehr ausreichend Kinos vorhanden
wären. Mein Hinweis darauf, dass in kleineren Orten ja die Kinos
für einzelne Stunden in Anspruch genommen worden könnten, wurde
damit zurückgewiesen, dass man die Angehörigen der Armee nicht
an bestimmte Stunden binden könne.
Der Vorsitzende fragte alsdann, ob ich noch andere Vorschläge
zu machen hätte, andernfalls könne das Comité wohl die gegen
die Ordonnanz 74 erhobenen Einwendungen als erledigt ansehen.
Ich
(- 3 -)
Ich schlug nunmehr vor, wenigstens eine Zensur bestehen zu
lassen und bemerkte, als mir erklärt wurde, dass eine rein
deutsche Zensur nicht annehmbar sei, dass man ja schliesslich
auch an eine von beiden Teilen besetzte Zensurbehörde denken
könne. Dieser Vorschlag wurde beifällig aufgenommen, und man
ging an die Erörterung der praktischen Durchführung eines
solchen Vorschlages heran. Zunächst wurde die Möglichkeit be-
sprochen, etwa für jeden Kreis einen Vertreter des Delegierten
und eines Vertreter der Polizeibehörde mit der gemeinsamen
Beschlussfassung der die Zulassung zweisprachiger Films aus
alliierten Ländern zu betrauen. Dann ging aber doch die all-
gemeine Auffassung dahin, dass die Zensurbehörde für einen
grösseren Bezirk geschaffen werden müsse. Man sprach von Zen-
surbehörden für die einzelnen Besatzungszonen, und nahm
schliesslich meine Anregung, für das gesamte besetzte Gebiet
eine einzige Behörde und zwar in der grössten Stadt, nämlich
in Köln, zu schaffen, beifällig auf. Ich wurde ersucht, zu
veranlassen, dass der Herr Reichskommissar sobald wie möglich
der Rheinlandkommission einen formellen genau präcisierten
Vorschlag über die Errichtung einer oder mehrerer gemischter
Zensurbehörden für Filme aus alliierten Ländern in dem be-
setzten Gebiet mache. Damit wurde die Sitzung, soweit ich an
ihr beteiligt war, geschlossen.- Der amerikanische Vertreter
machte zum Schluss noch den Vorbehalt, dass derartige Zensur-
behörden gegenüber den von den Armeen für ihre eigenen Zwecke
unmittelbar bezogenen Filmen unzuständig wären. Das wurde all-
gemein als selbstverständlich bezeichnet.
gez. Claussen.
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