Dies sind die Übersichtsseiten über die vorhandenen Dateien.
Vorwort       Filmdaten bis 1920       Filmdaten ab 1920       Filmdaten noch nicht hier       Nicht-Filmdaten

Quellen zur Filmgeschichte 1906-1920: Gesetze und Verordnungen zur Filmzensur

Inhalt:


Polizeiverordnung des Polizeipräsidenten zu Berlin betreffend die Kinematographenzensur und Dauer der Vorstellungen vom 5. Mai 1906
Polizeiverordnung des Polizeipräsidenten zu Berlin betreffend Kinematographenzensur und Plakate vom 20. Mai 1908
Bekanntmachung, die Veranstaltung kinematographischer Vorführung betreffend. Dresden, 8. Mai 1909
Verfügung vom 16. Dezember 1910 betr. die Ausübung der Zensur gegenüber öffentlichen kinematographischen Schaustellungen.
Verfügung vom 30. April 1911, betr. Veröffentlichung einer Zusammenstellung der in Berlin vollständig oder für Kinder verbotenen Filme durch das Zentralpolizeiblatt.
Verfügung vom 6. Juli 1912, betr. die Zensur der kinematographischen Vorführungen.
Erlass des bayerischen Ministers des Innern betreffend Filmzensur vom 27. Januar 1912 Aufhebung der Zensur November 1918
Verfügung vom 22. April 1919, betr. Aufhebung der Filmzensur (vgl. Runderlass vom 28. Mai 1919 Nr.159, S.280
Verfügung vom 28. Mai 1919, betr. Vorprüfung der in Jugendvorstellungen vorzuführenden Filme

Zurück zum Anfang


Polizeiverordnung des Polizeipräsidenten zu Berlin betreffend die Kinematographenzensur und Dauer der Vorstellungen vom 5. Mai 1906 [Helwig S.66]

Auf Grund der §§ 137, 139, 42 Abs.2, 43 Abs.3 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (G.-S. S.195), der §§ 1, 2 Ziff.1 des Gesetzes vom 13. Juni 1900, betreffend die Polizeiverwaltung in den Stadtkreisen Charlottenburg, Schöneberg und Rixdorf (G.-S. S.247) sowie der §§ 6, 12 und 15 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März (G.-S. S.265), verordne ich für den Umfang des Landesbezirk Berlin mit Zustimmung des Herrn Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg in Ergänzung der Polizeiverordnung über öffentliche Theater- und ähnliche Vorstellungen vom 10. Juli 1851 und der Polizeiverordnung über die Dauer der öffentlichen Theatervorstellungen vom 8. Dezember 1874 was folgt:

§ 1

Den Theatervorstellungen im Sinne der vorgenannten Verordnungen vom 10. Juli 1851 und vom 8. Dezember 1874 werden gleichstellt alle dort nicht schon bezeichneten Darbietungen, welche bei gewerbsmässiger Veranstaltung einer Erlaubnis aus §33a der Reichsgewerbeordnung bedürfen, sowie alle kinematographischen und phonographischen Vorstellungen.

§ 2

Diese Polizeiverordnung tritt sofort in Kraft, zugleich wird der Geltungsbereich der vorgenannten Verordnungen auf diejenigen Teile des Landespolizeibezirks Berlin, in welchem sie bisher nicht gelten, hierdurch ausgedehnt.

Berlin, den 5. Mai 1906.

Der Polizeipräsident: I.V. Friedheim.

Zurück zum Anfang


Polizeiverordnung des Polizeipräsidenten zu Berlin betreffend Kinematographenzensur und Plakate vom 20. Mai 1908 [Helwig, S.67]

Auf Grund der §§ 5 und 6 des Gesetze über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 (G.-S. S.265) und der §§ 143 und 144 des Gesetzes über die Allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli (G.-S. S.195ff) wird für den Stadtkreis Berlin unter Zustimmung des Gemeindevorstandes verordnet was folgt:

§ 1

Die zensurpolizeiliche Genehmigung zur öffentlichen Vorführung eines kinematographischen Bildes (Films) gilt für den ganzen Ortspolizeibezirk von Berlin als erteilt, wenn für den betreffenden Film eine mit dem Genehmigungsvermerk des Polizeipräsidenten versehene Erlaubniskarte ausgestellt ist.

§ 2

Die Veranstalter öffentlicher kinematographischer Vorführungen sind verpflichtet, für jedes der von ihnen zur Vorführung gebrachten Bilder die entsprechende Erlaubniskarte so bereit zu halten, dass sie den revidierenden Polizeibeamten jederzeit vorgelegt werden kann.

§ 3

Die Erlaubniskarten müssen neben dem polizeilichen Genehmigungsvermerk enthalten:
a) die Bezeichnung der Ursprungsfirma, d.h. derjenigen Firma, welche den Film hergestellt und in den Handel gebracht hat,
b) die Fabriknummer des Films, falls eine solche vorhanden ist,
c) den Titel des Bildes,
d) etwaige Untertitel oder, wo solche nicht vorhanden sind und sich der Inhalt des Bildes nicht schon aus dem Titel klar ernennen lässt, eine kurze Inhaltsangabe oder eine den Inhalt kennzeichnende Photographie,
e) eine Angabe der Länge des Films,
f) die Zensurnummer, d.h. diejenige Nummer, welche der betreffende Film in dem vom Polizeipräsidium geführten fortlaufenden Register führt.

§ 4

Die Vorführung von Bildern ohne Titel ist unzulässig. Der den Titel enthaltende Streifen muss mit den übrigen Filmstreifen verbunden und der Titel deutlich erkennbar sein. Ausnahmen von diesen Bestimmungen bedürfen besonderer polizeilicher Genehmigung.

§ 5

Titel und Untertitel dürfen nachträglich nicht geändert werden, ebensowenig der Inhalt der Erlaubniskarten.

§ 6

Die Ausfüllung der Karten mit den in §3 zu a bis e angeführten Merkmalen ist Sache der Schausteller.

§ 7

Sämtliche für einen Film abgestellte Erlaubniskarten müssen im Inhalt und Wortlaut übereinstimmen. Um Abweichungen zu vermeiden, wird auf dem Polizeipräsidium von jedem zur Zensur vorgelegten Film eine Karte zurückbehalten. Diese kann während der Dienststunden von Interessenten jederzeit eingesehen werden.

§ 8

Öffentliche Ankündigungen von kinematographischen Bildern, deren Vorführung polizeilich verboten ist, sind unzulässig.

§ 9

Übertretungen der vorstehenden Bestimmungen werden, sofern nicht nach anderweiten Vorschriften eine höhere Strafe angedroht ist, mit Geldstrafe bis zu 30 M oder im Unvermögensfalle mit verhältnismässiger Haft bestraft.

§ 10

Diese Polizeiverordnung tritt am 1. Oktober 1908 in Kraft.

Berlin, den 20. Mai 1908

Der Polizeipräsident v. Stubenrauch.

Zurück zum Anfang


Bekanntmachung, die Veranstaltung kinematographischer Vorführung betreffend. Dresden, 8. Mai 1909 [Akte]

§ 1

Wer in hiesiger Stadt öffentliche kinematographische Vorführungen zu veranstalten beabsichtigt hat dies gemäss § 8 des Regulativs, die polizeiliche Aufsichtsführung über Lustbarkeiten usw. betreffend, vom 22. Juni 1902 bei der Königlichen Polizeidirektion anzuzeigen.

Mit den Vorführungen darf nicht eher begonnen werden, als die nach § 12 des genannten Regulativs erforderliche Anzeigebescheinigung erteilt ist.

Die Anzeigebescheinigung wird erst dann ausgestellt, wenn die in der Verordnung des Königlichen Ministeriums des Innern vom 4. November 1906 vorgeschriebene feuerpolizeiliche Unbedenklichkeitsbescheinigung beigebracht ist (vergl. auch Bekanntmachung der Königlichen Polizeidirektion und des Rats zu Dresden vom 1. Dezember 1906) und hinsichtlich des Lokals, in dem die Vorführungen stattfinden sollen, verkehrs- und sicherheitspolizeiliche Bedenken nicht bestehen.

§ 2

Den im Interesse der Verkehrssicherheit zu stellenden Forderungen ist strengstens nach zukommen.

Namentlich müssen
a. sämtliche Türen nach aussen schlagen,
b. die Ausgangstüren mit der deutlich lesbaren Aufschrift "Ausgang" versehen sein und während der Vorstellungen stets unverschlossen gehalten werden,
c. Notlampen in der erforderlichen Zahl vorhanden sein und von Beginn der Vorstellungen ab bis zu deren Schlusse brennend erhalten werden,
d. im Zuschauerraum genügend breite Gänge vorhanden und in der Regel die Stühle mit dem Fussboden oder unter sich durch Latten fest verbunden sein.

§ 3

Zu den Vorführungen dürfen nicht mehr Personen zugelassen werden als Plätze vorhanden sind.

Keinesfalls dürfen während der Vorführungen Personen in den Gängen stehen.

§ 4

Die Vorführungen müssen spätestens 11 Uhr abends beendet sein; an Sonn- und Feiertagen dürfen sie nicht vor 11 Uhr vormittags beginnen.

An den Busstagen, dem Karfreitage und dem Totenfestsonntage dürfen Vorstellungen nicht stattfinden. (Gesetz vom 10. September 1870.)

§ 5

Kinder unter 11 Jahren, gleichgültig ob sie sich in Begleitung Erwachsener befinden oder nicht, dürfen nur zu solchen Vorführungen zugelassen werden, die für Kinder besonders veranstaltet werden.

Diese Veranstaltungen müssen als "Kindervorstellungen" sowohl an der Eingängen des Schaustellungsraumes als an der der Kasse durch deutlich lesbare Aufschriften angekündigt uns spätestens 7 [handschriftlich geändert: 8] Uhr abends beendet sein.

§ 6

Es darf kein Bild beziehungsweise Tonbild zur öffentlichen Vorführung gebracht werden, das nicht zuvor von der Königlichen Polizeidirektion geprüft und von dieser zugelassen worden ist.

Werden nur einzelne Teile eines Bildes beanstandet, so haben diese bei der öffentlichen Vorführung wegzubleiben, dafern der Kinematographenbesitzer nicht vorzieht, auf die Vorführung des Bildes ganz zu verzichten.

Die Prüfung der Bilder erfolgt in der Regel in dem Kinematographentheater selbst, doch kann jederzeit auch die Vorführung eines Bildes in dem Vorführungsraume der Königlichen Polizeidirektion angeordnet werden.

Zum Zwecke der Prüfung sind die beabsichtigten Vorführungen mindestens 24 Stunden vor ihrem Beginn unter Einreichung eines Verzeichnisses der vorzuführenden Bilder in doppelten Exemplaren bei dem Vorstande des zuständigen Polizeibezirkes einzureichen. In diesem Verzeichnissen sind die Bilder nach ihrem Titel sowie ihren etwaigen Untertiteln oder, wo solche nicht vorhanden sind und der Inhalt des Bildes sich nicht schon aus dem Titel klar erkennen lässt, unter Beifügung einer kurzen Inhaltsangabe und Angabe der etwaigen Fabriknummer der Films genau zu bezeichnen.

Den Bildern dürfen bei der öffentlichen Vorführung keine anderen Titel und Untertitel als diejenigen gegeben werden, unter denen sie auf dem Verzeichnisse aufgeführt sind.

§ 7

Von der öffentlichen Vorführung sind alle Bilder ausgeschlossen, die geeignet sind, in sittlicher, religiöser oder politischer Beziehung Anstoss zu erregen (§15 des Regulativs vom 22. Juni 1892). Unter die sittlich anstössigen Bilder fallen nicht nur diejenigen, die unsittlich in geschlechtlicher Beziehung sind, sondern auch solche, die, ohne unsittlich in diesem Sinne zu sein, doch gegen die allgemeinen Grundsätze der Moral verstossen oder geeignet sind, verrohend auf die Sitten zu wirken, z.B. Hinrichtungsszenen, Darstellungen von Selbstmorden und Unglücksfällen mit aufregenden oder abstossenden Begleiterscheinungen oder von sonstigen Schreckensszenen, die Darstellung von Tierquälereien (Stierkämpfe und dergl.) und vor allem die Darstellung von Verbrechen, namentlich von Mordtaten, Raubanfällen, Einbrüchen usw.

Von der Vorführung in den Kindervorstellungen sind überhaupt alle Bilder ausgeschlossen, von denen eine ungünstige Einwirkung auf die Anschauungen der Kinder befürchtet werden muss oder die geeignet sind, die Phantasie der Kinder in ungünstigem Sinne zu erregen.

§ 8

Beruhigt sich der Besitzer des Kinematographen bei der Entscheidung des mit der Prüfung beauftragten Beamten nicht oder bestehen irgend welche Zweifel hinsichtlich der Zulassung eines Bildes, so erfolgt eine Nachprüfung in dem Vorführungsraume der Königlichen Polizeidirektion. Es sind hierzu die betreffenden Films und zwar lose, nicht auf Filmtrommeln gewickelt, sowie bei Tonbildern die phonographischen Platten zu der sofort festzusetzenden Zeit in das Polizeigebäude zu bringen.

Solange diese Prüfung nicht erfolgt ist, darf die öffentliche Vorführung des betreffenden Bildes nicht stattfinden.

§ 9

Öffentliche Ankündigungen Kinematographischer Bilder, deren Vorführung polizeilich verboten ist, sind unzulässig. Von solchen Bildern dürfen namentlich auch an den Eingängen und den Fenstern der Schaustellungsräume Darstellungen nicht angebracht werden.

§ 10

Rezitatorische Vorträge, namentlich solche, in denen die auf den Bildern dargestellten Personen redend eingeführt werden, dürfen mit den Bildervorführungen nicht verbunden werden. Es macht dabei keinen Unterschied, ob auf Grund eines zuvor angefertigten Textes oder aus dem Stegreife gesprochen wird.

Ebensowenig ist es zulässig, das bei Tonbildern die gesanglichen und deklamatorischen Vorträge durch lebende Personen aufgeführt werden.

Zuwiderhandlungen haben die Einleitung des Strafverfahrens nach §§33a, 147 Ziffer 1 der Gewerbeordnung zur Folge.

§ 11

Die Kinematographenbesitzer sind verpflichtet, während der Dauer der Vorführungen jederzeit persönlich anwesend zu sein oder aber für geeignete Stellvertretung zu sorgen.

§ 12

Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmungen werden, soweit nicht andere Strafvorschriften Platz greifen, mit Geldstrafe bis zu 60 M oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft.

Dresden, den 8. Mai 1909.

Königliche Polizeidirektion, Abteilung F

Zurück zum Anfang


Verfügung vom 16. Dezember 1910 betr. die Ausübung der Zensur gegenüber öffentlichen kinematographischen Schaustellungen. [MBliV 1911 S.59]

Euer (Tit.) lasse ich anliegend (Anl. a) den Entwurf zu einer Polizeiverordnung, betreffend die Ausübung der Zensur gegenüber öffentlichen kinematographischen Schaustellungen mit dem Ersuchen ergebenst zugehen, für einen baldigen Erlass der Verordnung Sorge tragen zu wollen. Sollten im dortigen Bezirk bereits diesen Gegenstand regelnde Vorschriften bestehen, so würde ihre Ausserkraftsetzung in der Verordnung auszusprechen sein. Den Ortspolizeibehörden ersuche ich eine sorgfältige Prüfung aller ihr zur Genehmigung vorgelegten Verzeichnisse zur Pflicht zu machen. Die Ausnahmevorschrift in § 3 des Entwurfs hinsichtlich der von dem Polizeipräsidenten in Berlin genehmigten Bilder ist nicht dahin aufzufassen, dass diese Bilder nun ohne weitere Prüfung überall zuzulassen seien. Die Genehmigung für Berlin wird allerdings in den meisten Fällen eine nochmalige Vorführung des Bildes unnötig machen; trotzdem bleibt aber das Recht und die Pflicht der einzelnen Polizeibehörde zu selbständiger Prüfung durchaus bestehen. Diese Prüfung wird sich darauf zu erstrecken haben, ob etwa besondere örtliche Verhältnisse eine andere Stellungnahme wie die von der Berliner Zensurbehörde eingenommene rechtfertigen.

Euer (Tit.) ersuche ich ergebenst, mir bis zum 1. Juli 1910 über die gemachten Erfahrungen zu berichten.

Berlin, den 16. Dezember 1910

Der Minister des Innern. In Vertretung Holtz

Zurück zum Anfang


Verfügung vom 30. April 1911, betr. Veröffentlichung einer Zusammenstellung der in Berlin vollständig oder für Kinder verbotenen Filme durch das Zentralpolizeiblatt. [MBliV 1911 S.178]

Nach §3 des dem Erlasse vom 16. Dezember 1910 (Min.Bl.f.d.i.V. 1911 S.59) beigegebenen Entwurfs einer Polizeiverordnung sollen die Ortspolizeibehörden befugt sein, in öffentlichen kinematographischen Schaustellungen die Vorführung solcher Filme, für die eine Erlaubniskarte des Berliner Polizeipräsidiums beigebracht werden kann, ohne weiteres zu gestatten, während sie mangels der Beibringung einer solchen Erlaubnis selbständig zu entscheiden haben. Vielfach versuchen die Kinematographenfirmen die Erlaubnis zur Filmvorführung in der Provinz dadurch zu erreichen, dass sie das in Berlin bereits erfolgte Verbot verheimlichen.

Um die Ortspolizeibehörden in den Stand zu setzen, sich bei der Prüfung ihnen vorgeführter Filme darüber Gewissheit zu verschaffen, ob ein Verbot der Berliner Zensurbehörde vorliegt, wird in Zukunft zweimal wöchentlich im Preussischen Zentralpolizeiblatt eine Liste der in Berlin vollständig oder für Kinder verbotenen Filme veröffentlicht werden. Durch Übertragung dieser Liste in ein alphabetisch geführtes Namenregister können sämtliche Ortspolizei-Verwaltungen sich über die Berliner Verbote auf dem laufenden halten.

Ich ersuche ergebenst, die Ortspolizeibehörden hiernach mit entsprechender Weisung zu versehen.

Die zur Mitteilung an die nachgeordneten Behörden erforderlichen Abdrucke dieses Erlasses liegen bei.

Im Auftrage Dr. Freund

An die sämtlichen Herren Regierungspräsidenten.

Zurück zum Anfang


Verfügung vom 6. Juli 1912, betr. die Zensur der kinematographischen Vorführungen.

Um die Zensur der kinematographischen Vorführungen wirksamer zu gestalten und gleichzeitig die Ortspolizeibehörde bei der Ausführung der Zensur zu entlasten und zu unterstützen, erscheint deren weitergehende Zentralisierung erforderlich.

Ich bestimme daher in Ergänzung meiner Erlasse vom 16. Dezember 1910 (Min.Bl.f.d.i.V. 1911 S.178) folgendes:

1. Die Ortspolizeibehörden sind anzuweisen, dem Polizeipräsidenten in Berlin in Zukunft von den ihnen zwecks öffentlicher Vorführung vorgelegten Lichtbilderfilmen Mitteilung zu machen, soweit diese entweder
a) von dem Polizeipräsidenten in Berlin noch nicht geprüft worden sind, oder aber
b) seitens der mitteilenden Ortspolizeibehörde eine von der Berliner Zensur abweichende Beurteilung erfahren. Dies gilt sowohl für Filme, die in Berlin zugelassene dagegen an andern Orten verboten werden, als auch für solche deren Vorführung ungeachtet des Berliner Verbots anderorts gestattet wird. Weicht die Beurteilung der Ortspolizeibehörden von der Berliner Zensur nur zum Teil ab, z.B. hinsichtlich der Frage, ob der Film sich zur Vorführung vor Erwachsenen oder auch vor Kindern eignem oder hinsichtlich einzelner Filmteile, so wird es dem Ermessen der Orts-Polizeibehörden überlassen, ob sie nach Lage des Einzelfalles eine Mitteilung für erforderlich oder angezeigt erachten.

2. Die Mitteilungen haben auf Karten zu erfolgen, welche der Berliner Zensurkarte nachgebildet sind und die leichte Registrierung der in Berlin zusammenlaufenden Nachrichten ermöglichen. Die Formulare können von der Buchdruckereifirma Karl Kühn u. Söhne, Berlin C 2, Breite Strasse, zum Preise von 1.25 M für 100 Stück bezogen werden, andernfalls sind sie in genau derselben Art wie die von der vorgenannten Firma zu beziehenden in Bestellung zu geben.

3. In die in meinem Erlass vom 30. April 1911 - II a 753 - angeordneten Zusammenstellungen für das Zentralpolizeiblatt werden in Zukunft ausser den vollständigen Verboten kinematographischer Filme und den Kinderverboten auch die sogenannten Teilverbote aufgenommen werden (Bezeichnung derjenigen Teile an sich genehmigter Filme welche zur öffentlichen Vorführung nicht zugelassen worden sind). Bei den Teilverboten wird zur Erleichterung der Kontrolle die Länge der Filme und der Grund der Kürzung mitveröffentlicht werden. Dagegen scheint es ohne Gefährdung des Zweckes angängig, bei den übrigen Verboten nur Titel, Herstellung, Firma und Nummer des Films zu veröffentlichen und die Gründe des Verbots in Zukunft in Fortfall kommen zu Iassen.

4. Die in Ziffer 3 dieses Erlasses erwähnten Zusammenstellungen werden in Zukunft als besondere Anlagen zum Zentralpolizeiblatt herausgegeben werden, welche nur einseitig bedruckt werden. Die Ortspolizeiverwaltungen können die Bildertitel voneinander trennen, auf Karten kleben und dem Kartenregister einverleiben. Sie sind indes darauf aufmerksam zu machen, dass bei Genehmigungsgesuchen ein Hinweis der Vorführer auf die Zusammenstellungen zum Erweise einer teilweisen Freigabe der Filme nicht genügt, sondern dass unter allen Umständen die Vorzeigung der Berliner Zensurkarte gefordert werden muss. Das im Verlage von Albert Koenig in Guben herausgegebene Verzeichnis verbotener Kinematographenbilder kann den Bezug und den amtlichen Gebrauch des Zentralpolizeiblattes nicht ersetzen.

5. Die Ortspolizeiverwaltungen sind allgemein anzuweisen, vom 1. Oktober d.J. ab nur diejenigen kinematographischen Filme selbständig zu prüfen, welche ihnen von solche Personen vorgelegt werden, die die Bilder selbst zur Vorführung bringen wollen. Die Prüfung sämtlicher Filme, welche nicht von dem einzelnen Vorführer, sondern von Filmfabrikanten oder gewerbsmässigen Verleihern vorgelegt werden, ist von den Ortspolizeibehörden unbedingt abzulehnen und bleibt dem Polizeipräsidenten in Berlin vorbehalten.

6. Die Ausstellung von Zensurkarten durch die Ortspolizeibehörden wird sich regelmässig erübrigen, da die Genehmigung der Ortspolizeibehörde nur für deren Bezirk gilt, und der Nachweis der Genehmigung ausreichend durch das Verzeichnis (Programm) erbracht wird, welches der Ortspolizei vorgelegen hat und deren Prüfungsvermerk trägt. In keinem Falle dürfen doppelte Zensurkarten von den Ortspolizeibehörden ausgegeben werden.

7. Werden Teile eines zur Prüfung vorgelegten Films beanstandet, so ist die Austrennung der beanstandeten Teile aus dem Film zu verlangen; die Überlassung der Teile seitens der Vorführer an die Polizeibehörde ist erwünscht. Wird festgestellt, dass Filmteile, welche von der Berliner Zensurbehörde verboten worden sind, dem Verbot zuwider zur Vorführung gelangen so ist dem Polizeipräsidenten in Berlin umgehend Mitteilung zu machen.

8. Die strenge Handhabung der vorstehenden Bestimmungen ist den Orts-Polizeibehörden zur Pflicht zu machen, Auch die kommunalen Polizeiverwaltungen sind auf eine ordnungsmässige Handhabung der Filmzensur in geeigneter Weise zu kontrollieren.

9. Nachrichtlich wird bemerkt, dass für eine sachgemässe Ausübung der BerIiner Zensur durch Zuziehung eines auf literarischem und künstlerischem Gebiete sowie in Fragen der Jugenderziehung sachkundigen Beraters Sorge getragen wird.

Ich ersuche ergebenst, die Ortspolizeibehörden hiernach mit Weisung versehen zu wollen, die zur Mitteilung an die nachgeordneten Behörden erforderlichen Abdrucke dieses Erlasses liegen bei.

Im Auftrage gez. Freund.

Zurück zum Anfang


Nr.43. Erlass des bayerischen Ministers des Innern betreffend Filmzensur vom 27. Januar 1912

Nr. 2219 a/9. K. Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Äussern, K. Staatsministerium des Innern.

An sämtliche Polizeibehörden

Lichtspiele betreffend

I.

Vom 1. April 1912 an besteht bei der Polizeidirektion München eine Landesstelle zur Prüfung von Bildern, die zu öffentlichen Lichtspielen (kinematographischen Vorführungen) in Bayern verwendet werden sollen.

Wer diese Landesstelle benützen will, hat der Polizeidirektion München mit dem zu prüfenden Bildstreifen zwei bis sechs Prüfungskarten nach dem Muster und in der Grösse der Ansage (1) vorzulegen. Auf Wunsch gibt die Polizeidirektion Geschäfte an, bei denen vorschriftsmässige Prüfungskarten bezogen werden können. Der Gesuchsteller hat sämtliche Karten mit Ausnahme des Vordrucks über das Prüfungsergebnis auszufüllen. Auf möglichst genaue Beschreibung (Rückseite der Prüfungskarte) ist zu achten. Je nach dem Ausfalle der Prüfung versieht die Polizeidirektion die Prüfungskarten mit Bescheid und Stempel statt Unterschrift. Ein Stück der Prüfungskarten bleibt bei der Polizeidirektion verwahrt, die übrigen werden dem Gesuchsteller gegen Zahlung der Prüfungskosten zur Verwendung am Orte der Vorführung zurückgegeben.

II.

Sämtliche Ortspolizeibehörden werden angewiesen, vom 1. Oktober 1912 an zu öffentlichen Vorführungen nur solche Bilder zuzulassen, die in dieser Weise von der Polizeidirektion München geprüft und mit Zulassungskarte versehen sind. Die Ortspolizeibehörden können zugelassene Bilder von der öffentlichen Aufführung dann ausschliessen, wenn besondere örtliche Verhältnisse es erfordern. Dem Staatsministerium des Innern bleibt vorbehalten, die Zulassung solcher Bilder zu gestatten, die von einer andern Polizeibehörde als der Polizeidirektion München geprüft sind.

Beanstandete Bildstreifen wird die Polizeidirektion München im Zentralpolizeiblatte bekanntgeben.

Die Ortspolizeibehörden haben darauf zu achten, dass die Vorführungen mit dem Inhalte der Prüfungskarten übereinstimmen. Sollte der Verdacht begründet sein, dass der Prüfungskarte ein anderer, ungeprüfter Bildstreifen unterschoben oder dass der mit Prüfungskarte versehene Bildstreifen durch Einschiebungen verändert ist, so ist dies unmittelbar oder durch Vermittlung der Distriktspolizeibehörde sofort der Polizeidirektion München anzuzeigen. Hierbei ist neben der genauen Bezeichnung des Unternehmers eine Abschrift der Prüfungskarte mitzuteilen.

Die Distriktspolizeibehörden haben hiernach die Ortspolizeibehörde so rechtzeitig anzuweisen, dass der Vollzug vom 1. Oktober 1912 an in stehenden und in wandernden Betrieben gesichert ist. Sämtliche Polizeibehörden haben die untergebenen Polizeibeamten und Bediensteten (einschliesslich der Gendarmerie) entsprechend zu belehren.

III

Das Verbot der Vorführungen der Passionsgeschichte (Ministerialentschliessung vom 19. Juli 1908, MABl S.371) bleibt unberührt.

München, den 27. Januar 1912.

Dr. Graf v. Podewils. Dr. v. Brettreich.
(1) Die Anlage ist nicht mit abgedruckt, da sie für den Zweck dieser Sammlung ohne Bedeutung ist. Die Anlage findet sich in dem "Amtsblatt der K. Staatsministerien des königlichen Hauses und des Äussern und des Innern. Königreich Bayerns 1912, 148f.

Zurück zum Anfang


Im Reichsgesetzblatt 1918 S.1303 wird die Zensur in unterschiedlichen Bereichen aufgehoben. Die Filmzensur wird - im Gegensatz zur Theaterzensur - nicht speziell erwähnt.

Zurück zum Anfang


(158) Verfügung vom 22. April 1919, betr. Aufhebung der Filmzensur (vgl. Runderlass vom 28. Mai 1919 Nr.159, S.280 [s. nächsten Eintrag]

Durch die programmatische Erklärung des Rates der Volksbeauftragten in dem Aufrufe vom 12. November v. Jahres (RGBl. 1918 S.1918) ist bestimmt worden, dass eine Zensur nicht mehr stattzufinden hat und dass die Theaterzensur aufgehoben wird. Es sind Zweifel darüber laut geworden, ob durch diese Bestimmung auch die Filmzensur beseitigt worden ist. Ich weise deshalb daraufhin, dass mit der allgemeinen Aufhebung der Zensur auch die Filmzensur aufgehoben ist, dass aber in dieser Beziehung die bisher ergangenen Bestimmungen über den Schutz der Jugendlichen bis zu dessen Regelung im Wege der Gesetzgebung in Kraft bleiben. Sie wollen das hiernach Erforderliche alsbald veranlassen.

Berlin, den 22. April 1919

Der Minister des Innern. In Vertretung Freund.

An die Herren Regierungspräsidenten; abschriftlich an die Herren Oberpräsidenten zur Kenntnisnahme

Zurück zum Anfang


(159) Verfügung vom 28. Mai 1919, betr. Vorprüfung der in Jugendvorstellungen vorzuführenden Filme [MBliV 1919 S.280]

Durch Erlass vom 22. v. Mts. (s. oben Nr.158 S.279 [s. vorigen Eintrag]) - II1 1512 - habe ich darauf hingewiesen, dass mit der allgemeinen Aufhebung der Zensur zwar auch die Filmzensur als solche fortgefallen sei, dass aber in dieser Beziehung die bisher ergangenen Bestimmungen über den Schutz der Jugendlichen bis zu dessen Regelung im Wege der Gesetzgebung in Kraft geblieben seien. Dementsprechend bedarf der Spielplan der Jugendvorstellungen nach wie vor der ortspolizeilichen Genehmigung. Daraus folgt, dass die Filme, welche in Jugendvorstellungen vorgeführt werden sollen, auch fernerhin vorzuprüfen sind. Diese Prüfung kann in jedem Falle durch die Ortspolizei selbst geschehen. Es bleibt aber auch zulässig und wird in der Praxis den fast ausnahmslosen Regelfall bilden, dass die Prüfung an Ort und Stelle ersetzt wird durch den Nachweis der in Berlin vorgenommenen Vorprüfung. Insoweit bleiben also die Berliner Zensureinrichtungen bestehen.

Sollten Bedenken gegen die Ausnutzung der Berliner Prüfungsergebnisse bestehen, dann bitte ich um deren Mitteilung. Im übrigen lege ich Wert darauf, dass mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln auf eine Vermehrung ordnungsmässig genehmigter Jugendvorstellungen hingewirkt werde. Die Mithilfe der Gemeinden wird hierbei nicht entbehrt werden können. Etwaigen weiteren Anregungen nach dieser Richtung sehe ich entgegen.

Berlin, den 28. Mai 1919.

Der Minister des Innern. Heine

An die Herren Regierungspräsidenten; abschriftlich an die Herren Oberpräsidenten zur Kenntnisnahme
Zurück zum Anfang