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Vorwort       Filmdaten bis 1920       Filmdaten ab 1920       Filmdaten noch nicht hier       Nicht-Filmdaten

Quellen zur Filmgeschichte ab 1920

Texte der Hefte des studentischen Filmclubs der Uni Frankfurt/Main: Filmstudio

Einführungsseite

Filmstudio Heft 30, August-Oktober 1960

Inhalt
Hans Richter
Die deutschen Archive
Der NS-Film
Jammin' the Blues
Vor 40 Jahren
Filmplakate
Film ohne Titel
Überfall
Der Hauptmann von Köpenick
Die ist nicht von gestern (Born Yesterday)
Lachen ohne Ende
Der zerbrochene Krug
Der Apfel ist ab
Liebe, Brot und Eifersucht (Pane, amore e gelosia)
Berlin - Alexanderplatz
Der 14. Juli
Napoleon ist an allem schuld
Rückschau


Hans Richter Zwischen Malerei und Film

Es gibt heute eine internationale Bewegung der »Bewegung«. Maler, Bildhauer, Schauspieler, Literaten und begabte Exhibitionisten beschäftigen sich mit einem Problem, das bei den Futuristen aufkam und zunächst ausschliesslich die Maler interessierte.

In Italien hatte der Kreis um Severini und Boccioni, in Frankreich hatten Picasso und Delaunay damit begonnen, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, wie man die zeitliche Dimension mit der Malerei vereinbaren könne. Der Schwede Viking Eggeling und der Berliner Hans Richter (geb. 1888) waren gleichermassen daran interessiert. Während die anderen eine Lösung in der Begrenzung des Staffeleibildes suchten, unternahmen Eggeling und Richter, nach Berlin zurückgekehrt, »_...Tausende von »Exerzitien«, Versuche, alle denkbaren elementaren Verhältnisse von Linie und Fläche zu erschliessen, einfachste Elemente abzuwandeln, zu orchestrieren. 1919/1920 Entdeckung von Kontinuität in einer Reihe von »Exerzitien«. Kontinuität eines Formthemas in einer Reihe von zehn Etappen: »Prélude« (Orchestration d' un thème se developpant en dix dessins).

(Im gleichen Jahr malte Eggeling seinen abstrakten Bildstreifen »Horizontal-Vertikal-Messe«, 51 x497 cm.) Neue (uralte) Formen des Ausdrucks von Sein und Werden. Neue Sensation, Zeit anzuhalten, vor- und rückwärts zu erleben. 1921: Rollenbilder enthielten Hinweise auf Bewegung. Forderten echte Bewegung _... Beschlossen uns dem Film zu nähern.«

Mit »Rhythmus 21« von Hans Richter kam 1921 der - aus dem Rollenbild entwickelte - erste abstrakte Film vor die Projektorenlampen. Mit den einfachen Mitteln des Grössenkontrastes, der Überschneidungen, des Näher- und Fernerrückens sind einfache graue und weisse Rechtecke zu einer mitreissenden Raumfuge komponiert.

Dieser Film war - wenn auch von musikalischer Begleitung unabhängig - in der Ordnung des optischen Materials stark von Prinzipien der Musik beeinflusst, namentlich von denen des Kontrapunkts.

(Schon 1917 hatte Viking Eggeling eine Arbeit zum plastischen Kontrapunkt geschrieben: »Beitrag zum Generalbass der Malerei«. Hans Richter war im gleichen Jahr von Ferruccio Busoni in die Prinzipien des Kontrapunkts eingeführt worden.)

Solange es keinen Tonfilm gab, gelang es Autoren abstrakter Filme wie Richter, Eggeling (Diagonalsymphonie) und Ruttmann (Opus I, II, III, IV), ungehindert von synchroner Programmusik und Jazz, das optische Material vom rein Bildnerischen her zu beherrschen. Erst die Maler Hans und Oskar Fischinger liessen sich durch den Tonfilm dazu verleiten, ihre abstrakten Zeichenfilme als »Illustrationen« zu Musik von Brahms und Verdi zu gestalten.

In der Weiterentwicklung des abstrakten Films über Len Lye, J. Whitney zu MacLaren, Albert Pierru und Lewis Jacobs macht sich die Abhängigkeit des filmischen Rhythmus von der Begleitmusik immer mehr bemerkbar. So kann man bis heute keinen abstrakten Tonfilm finden, in dem optische und akustische Abläufe gleichberechtigt ineinandergreifen.

1923 und 1925 unternahm Richter noch zwei weitere abstrakte Versuche und wandte sich 1926 in der »Filmstudie« zum ersten Male wieder dem realen Objekt zu. In diesem Film versucht Richter mittels harter Montage die Verwandtschaft von geometrischen und Naturformen aufzuzeigen, so stellt er z.B. Aufnahmen von Kreisflächen denen von Augen gegenüber.

1928 entstand dann »Vormittagsspuk«, ein Film, in dem Richters Beschäftigung mit dem Dadaismus seinen Niederschlag fand.       Aus dem Film »Rhythmus 21«

Die Dada-Bewegung war Mitte des ersten Weltkrieges in Zürich entstanden und griff wenig später auf New York, Paris und Berlin über. Tristan Tzara, Hugo Ball, Hans Arp und Richard Hülsenbeck hatten Dada erfunden aus Protest gegen eine Welt, die sie nicht mehr verstanden. Ihr Ziel war nicht, eine neue Kunst zu produzieren, sondern eine solche zu verhindern. Dazu diente die Methode der freien Assoziation, der Montage nicht zusammengehöriger Elemente. 1921 benutzte Fernand Léger diese Methode in seinem Film »Ballet mécanique«, um jede Möglichkeit eines logischen Handlungsablaufs auszuschalten. 1923 tat es ihm Man Ray mit »Le retour à la raison« gleich, 1924 René Clair und Francis Picabia mit »Entr'acte«. Hans Richter griff diese Anregungen auf und konzipierte seinen »Vormittagsspuk« als ein Geschehen ohne jegliches literarisches Motiv, nur auf optischen Reizen und Objektbewegungen aufgebaut: Vier steife Hüte fliegen wie von selbst durch die Luft, gejagt von ihren Besitzern, dazwischen sehen wir unter anderem Gruppen von Passanten mit einem schlanken Laternenpfahl verschmelzen und den Kopf eines Mannes vor einer Schiessscheibe sich hin und her bewegen, bis um zwölf Uhr der Spuk ein Ende hat und die Hüte zu ihren Herren zurückkehren.

Der Film wurde 1928 mit einer Originalmusik von Hindemith auf den Internationalen Musikfestspielen in Baden-Baden aufgeführt, also etwa vier Jahre, nachdem der Dadaismus sich ausgelebt hatte. In Frankreich entwickelte er sich unter dem Einfluss der Psychoanalyse zum Surrealismus weiter, in Berlin mündete er in gesellschaftliche Agitation ein, die zum Teil ihr Vorbild in der jungen Sowjetunion sah.

Mit Mies van der Rohe und Werner Graeff gab Hans Richter damals die Zeitschrift »G« heraus, die dem Bauhaus nahestand. In ihrer Filmsondernummer proklamierte sie 1926: »Was wir brauchen, ist der politische Film!«

Richter folgte dieser Aufforderung zaghaft und drehte den Film »Inflation« (als Einführung in den Ufa-Film »Die Dame mit der Maske«), danach 1929 die »Rennsymphonie« (zu »Ariadne in Hoppegarten«) und die Rummelplatzreportage »Alles dreht sich, alles bewegt sich«. Dann ging Richter vorläufig in die Schweiz, wo ihm der Schweizer Werkbund die Filme »Bauen und Wohnen« und »Die neue Wohnung« (1930) in Auftrag gab.

Aufgerüttelt durch die Weltwirtschaftskrise und die politischen Geschehnisse in Berlin, begann Richter 1931 mit den Arbeiten an dem Film »Metall«, der, von dem Stahlarbeiterstreik in Henningsdorf ausgehend, die Streikbrecher- und Totschlägermethoden der Nazis ausführlich schildert. Dieser »Dokumentarfilm« wurde von der linksorientierten Berliner Prometheus-Film und der Moskauer Mejrapom-Russ co-produziert. 1933 waren aber erst sechs von den geplanten acht Rollen fertig, Richter brach die Arbeiten ab und emigrierte nach Frankreich. Dort entstanden viele neue - auch politische - Filmpläne, die alle nicht verwirklicht werden konnten. Nach New York übergesiedelt, konnte er nur einen Plan ausführen: »The Accident«, ein Testfilm für psychologische Untersuchungen zum Problem der Rassendiskrimination.

In diese Zeit (1940) fiel Richters »grosse Besinnung«, in der er sich zu der uneingeschränkten reinsten Freiheit des Ausdrucks bekannte. Er betrieb wieder stärker seine abstrakten malerischen Arbeiten und wurde Mitglied der »American Abstract Artists«. 1942 erhielt er eine Professur am Filminstitut des New York City College. In »The Movies Take a Holiday« entstand dann ein Querschnitt durch die Werke der Filmexperimentatoren der zwanziger und dreissiger Jahre. Richter erhoffte sich davon ein »revival« der alten (neuen) Ausdrucksmöglichkeiten. Es gelang ihm, für sein Vorhaben fünf seiner Freunde von der Avantgarde zu gewinnen, und so entstand aus sechs phantastischen Variationen ein surrealistischer Film, der als Rahmenhandlung die Geschichte eines jungen Dichters erzählt, der Träume verkaufen will.

Jeder der Träume in »Dreams That Money Can Buy« wurde von den verschiedenen Künstlern (Fernand Léger, Marcel Duchamp, Alexander Calder, Max Ernst, Man Ray und Richter selbst) in einem anderen Stil abgefasst.

1951 fertigte Richter eine neue Anthologie (»30 Years of Experiment«) aus seinen eigenen Filmen, einschliesslich Auszügen aus Eggelings »Diagonalsymphonie« und Ruttmanns »Opus IV«. Die Idee zu Richters zweitem abendfüllenden Film »Eight by Eight« (1957) stammt aus dem grössten Spielerlebnis seines Autors, dem Schachspiel. Der Film ist episodisch angelegt und versucht »_...Vorgänge auf dem Schachbrett zu verbildlichen, in ihrer inneren Logik und in ihrer Bedeutung, aber gleichzeitig bezogen auf Ereignisse im menschlichen Leben«. Als Einführung zu diesem Film war zuvor »Pasionate Pastime« entstanden, der uns mit der Geschichte des Schachspiels von der Vor-Schach-Zeit (2500 v. Chr.) bis zur heutigen bekannt macht.       Matthias Amsel


Man sollte endlich mit dem stupiden Vorurteil brechen, dass Probleme in der Kunst unserer Zeit nur mit Ölfarbe oder Bronze zu lösen seien.       Hans Richter
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Die deutschen Archive

»So gut wie ein Gesetz es verlangt, dass die Verleger von jedem neu erscheinenden Werke ein Pflichtexemplar der Königl. Bibliothek einverleiben, so müsste ein Gesetz geschaffen werden, welches die Ablieferung eines Exemplars eines wissenschaftlichen, geschichtlichen oder kulturgeschichtlichen Films für ein einzurichtendes Staatsarchiv verlangt.

_...Als ich im Jahre 1897 die Anregung gab, eine staatliche Stelle einer Sammlung von Pro- jektionsbildern aus allen Gebieten des Wissens zur unentgeltlichen Verleihung an Lehranstalten jeder Art einzurichten, verhallte diese Anregung ungehört. _...In Hamburg will man ein derartiges Staatsarchiv schaffen, Paris hat bereits seit 1905 ein solches Archiv aus kommunalen Mitteln angelegt, auch London und Kopenhagen besitzen bereits Filmarchive - nur unsere Reichshauptstadt regt sich nicht.« (Aus »Der deutsche Kaiser im Film« - Paul Klebinder, 1912.)

1915 mahnt E. Ackerknecht (»Bücherei und Bildungspflege«), und noch 1928 fordert Guido Seeber im »Berliner Tageblatt« die Errichtung eines Archives und zählt die Filme aus den Jahren vor 1914 auf, die man unbedingt aufheben müsste.

Die Filmindustrie kümmerte sich bisher kaum um die Archivierung ihrer Produktion. In den ersten Jahren wurden die Kopien, wenn sie abgespielt waren, vernichtet. Da ursprünglich jeder »Theater«-Besitzer die Filme kaufte, blieb manches erhalten, das heute den Grundstock für die Filmarchive bildet. Später (etwa ab 1910) fällt dies mit zunehmender Ausbildung des Verleihbetriebes fort, aber abgespielte Kopien verkauft man gelegentlich an Sammler. Selbst heute werden nach Ablauf der Aufführungsrechte die Positivkopien meist zerstört.

Während des ersten Weltkriegs wird das »Bild- und Filmamt« (Bufa) gegründet, das vornehmlich Dokumentarfilme sammelte. 1925 richtet das Potsdamer Museum eine Filmabteilung ein. Dieses Material gibt den Grundstock für das Reichsfilmarchiv (1935), in dem alles gesammelt wird, was noch erreichbar ist. Daneben hat die Ufa ihr eigenes Archiv.

In den Jahren vor 1933 beginnen auch Albert Fidelius und Paul Sauerländer ihre privaten Sammlungen aufzubauen. 1938 bilden die Archive von Frankreich, Deutschland, England und den USA die FIAF (Föderation Internationale des Archives de Film), die 1949 wiedergegründet wird. Daneben gibt es noch Archive der Filmliteratur. Das erste dürfte das der Licht-Bild-Bühne (Berlin) gewesen sein; seit 1945 sind es das »Deutsche Institut für Filmkunde« und die Stadt- und Universitätsbibliothek in Frankfurt am Main. Seit kurzem ist auch das Ost-Berliner Archiv hinzugekommen.


Karl Wolffsohn stammte aus einer Buchdruckerfamilie und hatte bei Ullstein seine Ausbildung vollendet, als er 1911 mit 30 Jahren die Leitung der wöchentlich erscheinenden Licht-Bild-Bühne übernahm. Unter seiner Regie begann der Verlag einen Kinokalender mit wirtschaftsstatistischen und filmrechtlichen Angaben herauszugeben, ferner das Reichskinoadressbuch, die »Bücher der Praxis« (in denen technische Themen neben dramaturgischen behandelt wurden; Pudovkin wurde hier zum ersten Male in Deutschland verlegt) und die schliesslich täglich erscheinende LBB. Ein Mitarbeiter Wolffsohns, Hanns Wilhelm Lavies, gab zusammen mit Prof. Hans Traub (Universität Berlin und Greifswald) 1940 eine Filmbibliographie heraus. Das Archiv sollte, nachdem es Wolffsohn 1927 der Öffentlichkeit übergeben hatte, einem Institut angegliedert werden, dessen Grundzüge H. Traub und Oskar Kalbus entwarfen. Doch die neuen Machthaber hatten andere Pläne. Die Reichsfilmakademie und die Ufa-Lehrschau traten an seine Stelle, der Filmkurier übernahm das Material der LBB.

Goebbels erkannte sofort, welch wichtiges und wirksames Propagandamittel der Film ist. Drei Wochen nach seiner Ernennung zum »Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda« richtete er in seinem Ministerium eine eigene Filmabteilung ein. Im September 1933 beginnt die »Entjudung«. (Fritz Lang, den Hitler und Goebbels bewundern, wird der »Ehrenarier« angeboten, den er aber ablehnt.) Schon vor der Errichtung des Reichsfilmarchives wird die Vernichtung und Ausfuhr von Filmen von einer Genehmigung abhängig gemacht. 1935 müssen alle Mitglieder der Reichsfilmkammer - und jeder Filmschaffende muss Mitglied sein - angeben, ob sie im Besitz von Positiven oder Negativen sind, die von staatsfeindlichen Organisationen oder Verbänden hergestellt wurden oder staatsfeindlichen Charakters sind. Vernichtung wird mit Ausschluss - d. h. Berufsverbot - bestraft.

»Staatspolitisch wertvolle« und »besonders wertvolle« Filme müssen kostenlos an das Archiv abgegeben werden (die Prädikate haben eine Steuerermässigung zur Folge), und alle anderen werden angekauft. Das Archiv darf sie nicht kommerziell auswerten. Der erste Präsident wird Dr. Scheuermann. Sowohl von Paris wie von Berlin wird ein internationaler Zusammenschluss der Archive befürwortet. Die Filmrechtskommission (Urheberrecht und Verträge), die auf dem ersten Filmkongress, Berlin 1935 - der für die internationale Zusammenarbeit mit Deutschland, nicht nur auf dem Gebiet des Films, wichtig war -, eingesetzt wird, ist ein bedeutender Faktor bei der Kontaktaufnahme zwischen den Archiven.

1938 wird dem Archiv die »Deutsche Filmakademie« angegliedert, in der der Nachwuchs praktisches Können und theoretisches Wissen erwerben konnte.

Die sogenannte Ufa-Lehrschau, schon 1932 vom Generaldirektor der Ufa, Dr. Ludwig Klitzsch, geplant, wird erst 1936 eröffnet. Sie beginnt mit dem Produktionsarchiv. 1937 kommen eine Bücherei, 1938/39 Sammlungen verschiedener Art, ein Jahr später das Auswertungsarchiv hinzu.

In der ständigen Ausstellung der Ufa-Lehrschau klärt man den Besucher auf über die Entwicklung der Kinotechnik, über Filmgeschichte, Planung und Aufbau eines Films und die Struktur der Filmwirtschaft. In den Archiven sammelt man alles, was irgendwie mit dem Film zu tun hat: Bücher, Plakate, Anzeigen, Patentschriften, Zensurbescheide und ihre Begründungen usw. Ausserdem werden Karteien von Zeitschriftenartikeln, Standfotos, Titeln, Autoren usw. angelegt.

Im Produktionsarchiv wird alles über jeden Film gesammelt: Entwurf bis Fertigstellung, Dekor, Buch, Musik, Werbung und Wirtschaftliches. Im Auswertungsarchiv schliesslich archiviert und katalogisiert man alle Filmszenen, die eventuell für einen anderen Film noch einmal verwendbar sind. Einen Teil der Filme besitzt die neue Ufa in ihrem Archiv. Grosse Bestände des Reichsfilmarchives hat das Ost-Berliner Archiv übernehmen können. Dieses staatliche Archiv wurde 1955 in die FIAF aufgenommen und ist gegenwärtig Vorstandsmitglied. (Es wird im Rahmen eines Artikels über das Filmwesen in Mitteldeutschland in einem späteren Heft behandelt.)

Das offizielle Archiv der Bundesrepublik befindet sich in Wiesbaden-Biebrich. Dort liegen Bestände der Filmbibliothek von Wolffsohn, der Ufa-Lehrschau und anderen Archiven, die H.W. Lavies zusammengetragen hat. 1947 wird das »Archiv für Filmwissenschaft« in Marburg gegründet. Auf Betreiben Curt Oertels siedelt es nach Wiesbaden über, wo auch die »Freiwillige Selbstkontrolle« (FSK) ihren Sitz hat. 1949 wird es in »Deutsches Institut für Filmkunde« umbenannt. 1950 schliesst H.W. Lavies einen Pachtvertrag mit der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (Spio) ab. 1952 wird das Archiv als Mitglied in die FIAF aufgenommen. Seit dieser Zeit ist der Filmkatalog des Archivs, ebenso ein Verzeichnis der deutschen Filme von 1910 bis 1929 in Vorbereitung. 1951 führt H.W. Lavies Verhandlungen mit verschiedenen Organisationen zur Gründung eines Filminstitutes und -archivs. Das private Filmarchiv A. Fidelius soll die Filme, das Wiesbadener Archiv, die Afifa, die Kinotechnische Gesellschaft und das Filmgeschichtliche Institut sollen Geräte, Literatur usw. beisteuern. Die Verhandlungen zerschlagen sich, aber anscheinend rechnet H.W. Lavies diese Filme wie auch die angeblich bei den Produzenten ruhende Kopie eines jeden Filmes zu seinen Beständen - anders ist kaum die Zahl von 3000 Filmen, die er besessen haben will, zu erklären. Leider war es ihm auch nicht möglich, seine Filme rechtzeitig aus dem Bunker in einen besseren Lagerraum zu überführen, so dass mindestens eine Kopie zerstört wurde.

Einen grossen Teil (Wochenschauen) überliess er dem Bundesarchiv in Koblenz, das vor allem Dokumentaraufnahmen und Wochenschauen sammelt. In diesen Tagen sollen ihm vom Bund Gelder zur Verfügung gestellt worden sein, um alte Filme anzukaufen. Es ist gerne bereit, die filmkundliche Arbeit an den deutschen Hochschulen durch die Beschaffung von Filmbeispielen zu unterstützen. Im Winter 1958/59 gibt er die Leitung des »Deutschen Institutes für Filmkunde« an Max Lippmann. Das Filmarchiv, das H.W. Lavies noch leitet, wird abgetrennt. Im »DIF« wird ein grosser Teil des den Film behandelnden Schrifttums gesammelt. Neben der Bücherei besitzt das Institut eine sehr umfangreiche Sammlung von Filmkritiken nach 1945.

Seit einiger Zeit erhält es auch von fast allen deutschen Filmen Standfotos und Drehbücher. Ausserdem werden hier die Zensurbescheide der FSK aufbewahrt. Leider ist das Institut mit Archivierungsarbeiten so ausgelastet, dass für eine Auswertung nur wenig, für eine Forschung praktisch gar keine Arbeitskraft zur Verfügung steht. Es kommen zwar Studenten und Publizisten hierher, aber von einer ordentlichen Forschung auf dem Gebiete des Films kann in Deutschland nicht die Rede sein.

Das »Institut für den wissenschaftlichen Film« sammelt, wie der Name schon sagt, Filme, die für wissenschaftliche Zwecke gedreht wurden.

Da es unmöglich ist, in jeder Bibliothek die gesamte Literatur zu sammeln, wählte vor etwa zehn Jahren jede grössere öffentliche Bibliothek ein oder mehrere Spezialgebiete, von denen sie die deutsche Literatur ankauft und dafür von der »Deutschen Forschungsgemeinschaft« die Mittel erhält, um die wichtige ausländische Literatur auf diesem Gebiet zu beschaffen. Die »Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek« besitzt daher einen grossen Bestand der zeitgenössischen Filmliteratur - wichtig sind vor allem die ausländischen Bücher-, die sie im Rahmen ihres Sammelgebietes »Theaterwissenschaften« anschafft.

Daneben gibt es noch Bibliotheken, die ältere Filmliteratur besitzen, aber sich meist auf Teilgebiete beschränkt haben. So das »Institut für Weltwirtschaft« in Kiel (Filmrecht und -Wirtschaft), das »Deutsche Museum« in München (Technik), die Bibliothek der Landesbildstelle Berlin und die Landesbibliothek in Düsseldorf (u.a. alte Zeitschriften) und schliesslich die »Westdeutsche Bibliothek« in Marburg, die Teile der ehemaligen »Preussischen Staatsbibliothek« besitzt. 1926 plant der Internationale Filmkongress eine Sammelstelle für Filmforschung und -Statistik, ein Archiv und eine Filmpresse. Der Völkerbund unterstützt die Bemühungen. Es kommt aber nur zur Gründung eines Internationalen Lehrfilminstitutes in Rom. 1938, nach dem Internationalen Filmkongress in Paris, schliessen sich die Archive zusammen.

Der FIAF kann jedes nichtkommerzielle Filmarchiv angehören. Ihr Sitz ist Paris, und ihre Aufgabe ist es, den Filmaustausch und die Kontakte untereinander und zu anderen Organisationen aufrechtzuerhalten und zu fördern. Darüber hinaus verteilt sie Forschungsvorhaben, z. B. (Dubrovnik, 1956): Paris - Filmgeschichte; London, New York und Oslo - Konservierung; Rom - Pädagogik; Warschau - Ästhetik; Prag - Technik; Wiesbaden - Bibliographie.

Private Filmarchive können aus Zufall oder aus Passion entstehen. Albert Fidelius' Vater war bei einem Filmverleih beschäftigt; so konnte er leicht kurze Spielfilme, Wochenschauen, Ausschnitte aus Filmen, Voranzeigen usw. sammeln, die er jetzt dem Fernsehen zur Verfügung stellt.

Die Sammlung von Walter Jerven wurde leider im Kriege restlos vernichtet. Kleinere Archive sind noch Lamprecht (Berlin), Hoops (Bremen) und Schönecker (Köln). Vor allem auf Spielfilme, hatte sich Peter Sauerlaender zu Beginn seiner Sammeltätigkeit verlegt. Schon als Junge kaufte er in Trödlerläden alte Filme, um sie sich zu Hause vorzuspielen. Nach dem Kriege wurde er durch Vorträge in den Amerikahäusern und Filmklubs bekannt, später über den Rundfunk und das Fernsehen. Damals begann er alle Filme zu kaufen, die er finden konnte oder die, wie es auch vorkam, ihm angeboten wurden. Später erweiterte er sein Sammelgebiet auf Filmbücher, Zeitschriften, Plakate, Noten zu Filmmusik und Kinogeräte, auf vorfilmische, wie Laterna magica, und anderes. Demnächst soll er als drittes deutsches Archiv Mitglied der FIAF werden. Seine Sammlung, die aber auch weiterhin sein Eigentum bleiben wird, bildet den Grundstock des geplanten neuen Filmmuseums, das an einem öffentlichen Museum eingerichtet werden soll.

Es bleibt zu hoffen, dass dann einmal ein Gesetz kommt, dass, ähnlich wie bei der Deutschen Bibliothek, je eine Kopie jedes in Deutschland laufenden Filmes, gleich welcher Länge und Art, an das Archiv abgegeben werden müsste;
    dass, wer auf seiner Rumpelkammer noch irgend etwas liegen hat, das irgendwie mit dem Film zu tun hat, es dem Archiv leiht, spendet oder verkauft;
    dass endlich Gelegenheit zur Forschung geboten wird.

Wir fänden es bei der günstigen Lage Frankfurts zu Archiv und Literatur geradezu für die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität verpflichtend, eine Möglichkeit hierfür zu schaffen, zumal dies schon einmal im Rahmen des »Deutschen Institutes für Konjunkturforschung« bestand.
Veröffentlichungen:
Wolffsohn: Siehe Text
Ufa: Filmschaffen und Filmforschung
Deutsches Institut für Filmkunde: Mitteilungen des DIF
Institut für den wissenschaftl. Film: Mitteilungen des Institutes
übrige: Keine


Verwendete Literatur:
Der deutsche Kaiser im Film / Paul Klebinder, 1912
Bibliographie der Filmliteratur / Traub-Lavies (1940)
Luchterhand / 1933 bis 1945
Werbeprospekt der FIAF
Zeitschriftenausschnitte und Korrespondenz des Archivs Wiesbaden       Herbert Birett
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Jammin' the Blues Marginalien zum Thema Jazz und Film

Ich suche jenen schöpfungsursprünglichen Punkt, wo ich eine Formel ahne für Mensch, Tier, Pflanze, Erde, Feuer, Wasser, Luft und alle kreisenden Kräfte zugleich.       Paul Klee

Musik optisch darzustellen, sie aus der akustischen Sphäre in die optische zu transponieren, stellt den Künstler vor eine schwierige Aufgabe. Er muss Töne, Rhythmus und den harmonischen Zusammenhang in Farben, Linien, in Licht- und Schattenwerte umsetzen, um aus diesen Materialien eine Neuschöpfung zu konstruieren, die dem musikalischen Vorwurf entspricht. Viele Maier, man denke an Pollock, Matisse und auch an die Hamburger Harlekinade Hundertwassers, Bildhauer und neuerdings auch Photographen, hier sei auf Dennis Stock hingewiesen, haben versucht, das Musikalische in ihre Bilder, Plastiken und Photos einzugiessen, die Grenze der Dimensionen zu überwinden, um der Kleeschen Formel nahezukommen.

Diesen Versuchen, das Optische mit dem Akustischen zu verbinden, die Stille eines Kunstwerkes optisch tönen zu lassen, steht auf dem Gebiet der Filmkunst der Musikfilm gegenüber, der beide Dimensionen vereint. Der Betrachter sieht und hört die Musik zu gleicher Zeit. Ein weiterer Vorteil des Films ist die Dynamik. Der Maler kann die Statik seines Bildes nicht verlassen, das Moment der Zeit existiert für ihn nicht. Die filmische Kunst hat hier grössere Möglichkeiten. Der musikalische Ablauf wird durch bestimmte Bildsequenzen, rhythmische Schnitte und in der Wahl des Motivs sichtbar - hierbei ist der Farbfilm dem Schwarzweissfilm noch um die Möglichkeit der Farbdifferenzierung voraus -, während die Musik, das künstlerische Leitbild, zu gleicher Zeit erklingt.

Jazz ist ein musikalischer Ausdruck unserer Zeit und hat oft eine filmische Interpretation gefunden; denken wir zum Beispiel an die grossen alten Jazzfilme wie »Saint Louis Blues« (1929) mit Bessie Smith, der »Empress of Blues«, an King Vidors »Hallelujah« (1929), einen Film, der an Lebendigkeit, Bildhaftigkeit und Kraft vielen späteren Filmen überlegen ist, oder an »Jammin' the blues«, »Big Bill Blues« und an »Jazz in Farben« mit dem Oscar-Peterson-Trio.

Wenn man diese bekannten Jazzfilme, herausgegriffen aus einer riesigen Produktion, auf Gemeinsamkeiten prüft, nach künstlerischen Kategorien sucht, stösst man auf zwei Kriterien, die dem Verhältnis Jazz und Film entstammen.

Der illustrative Jazzfilm verwendet die Musik, um das Geschehen zu illustrieren. Der Jazz wird musikalischer »background« für die Handlung. Dem Film »Lasst mich leben« wird Musik von Gerry Mulligan unterlegt, um das Hektische und die Trostlosigkeit des modernen Lebens zu zeigen. Die Musik dient der Untermalung, sie steht im Dienst der »Story« und soll den Zuschauer gefühlsmässig ansprechen, ihn in jenen Zustand der Verlorenheit versetzen, die notwendig ist, sich mit der Gestalt auf der Leinwand zu identifizieren. Weit weniger illustrativ ist die Musik John Lewis' (Modern Jazz Quartet) in »Keine Chancen für morgen« (Odds against Tomorrow), die das New York von heute in impressionistischer Weise wiedergibt. Auch in »Hallelujah« illustriert Jazz das Geschehen, nur in einer Form, die die Musik zu einem Teil der Handlung, zum bewegenden Moment werden lässt. Die

Dynamik des Films, der nur unter Negern spielt, gibt dem Jazz eine höhere Aufgabe. Er ist nicht mehr nur illustrativ, sondern er verdichtet das Geschehen und führt es von Höhepunkt zu Höhepunkt, von Ekstase zu Ekstase. Hier sind wir einer zweiten Form des Jazzfilms nahe, dem interpretierenden Jazzfilm.

Der interpretierende Jazzfilm versucht den Jazz selbst darzustellen. Er ist die Form des reinen Jazzfilms. In »Jammin' the blues« versucht der Film das Phänomen des Blues zu interpretieren, der Film steht im Dienst der Musik. »Jammin' the blues« zeigt dem Beschauer in rein gegenständlichen Bildfolgen das Geheimnis einer Session: die Kamera photographiert die Musiker während des Spiels, verfolgt die Gesichter der Spielenden, registriert die Bewegungen der Körper, der Hände und tastet sich so in die Welt des Blues. Der Regisseur Louis Malle schreibt über diesen Film, »dass das Bild hier nur eine Unterstützung der Musik und des Eindrucks sei« (in »Le Jazz Hot«, Nr. 155, Juni 1960).

Und er sagt zu seinem eigenen Film »Fahrstuhl zum Schafott« (Ascenseur pour l' échafaud): »Ich bestehe darauf, dass die Musik im »Ascenseur« in gewisser Hinsicht wichtiger als das Bild ist. Und ich wünschte in manchen Augenblicken, dass das Bild noch neutraler wäre, damit die Musik noch wichtiger würde!« Dies leitet zu einer sublimierten Form des interpretierenden Jazzfilms über, die in »Jazz in Farben« fast Vollkommenheit erreicht. Die Musik wird hier durch abstrakte Farbkompositionen sichtbar gemacht. Die Künstler haben zur Musik den Filmstreifen bemalt, und der Wechsel von Punkten, farbigen Flächen, Linien, die sich im Rhythmus der Musik miteinander verflechten, sich trennen, um sich wieder zu verbinden, versetzt den Zuschauer einen Schock, der ihn in die Trance führt, gleichsam auf eine höhere Ebene, von wo dieses Werk aus Farben, Figuren und Synkopen begriffen werden kann.

Der vor kurzem in Deutschland erschienene Jazzfilm »Jazz an einem Sommerabend« (Jazz on a Summer's Day) versucht eine Synthese zwischen abstrakter und gegenständlicher Sicht des Jazz. Der Autor zeigt hier an gegenständlichen Motiven, wie Musikern, Instrumenten, Menschen aus dem Publikum und aus der Stadt, an Segelschiffen, an Meer und Küste - der Film wurde während des grossen Jazzfestivals in Newport gedreht -, seine Interpretation der Musik. Durch harte Schnitte komponiert der Autor eine Bildfolge, die zwar an Gegenständlichem orientiert, in ihrem Kern aber abstrakt ist. (Bedauerlich ist allerdings, dass er dieses Konzept einige Male durchbricht und so diesem Film seine Eindringlichkeit nimmt.)

Trotz der hier angegebenen Kategorien, erläutert an, meiner Meinung nach, guten Jazzfilmen, ist das Problem Jazz und Film noch nicht vollkommen gelöst. Es fehlt an einer allgemeinen Filmästhetik, die die Beziehungen zwischen Musik und Film genau definiert. Das beweisen nicht zuletzt die zahlreichen Jazzfilme, die weder Jazz noch Film sind, in denen die Verbindung des Optischen und des Akustischen misslang.       Wolfgang Vogel
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Vor 40 Jahren

Anm. d. Red.: An Stelle einer deutschen Filmgeschichte bringen wir Ihnen Ausschnitte aus der alten »Frankfurter Zeitung« (1920) und der »Frankfurter Theaterzeitung« (1919/1920).

»Film, Papier und Hasenclever (Bernhard Diebold)
_...Ganz ernsthaft: die ästhetischen Klassen der bewegten Zeitkünste (Musik, Rede) und der verharrenden Raumkünste (Architektur, Bildnerei) finden im Film die absolute Form ihrer Vereinigung. Denn die Zeit-Raum-Künste - Schauspiel, Tanz und Feuerwerk - sind stofflich relativiert durch die (den absoluten Stil störende) Zufälligkeit der eigenlebenden Körper und ihrer Bewegungen. Man wird nie auf der kubistisch oder barock inszenierten Bühne »kubistische« oder »barocke« Menschen einstilisieren können - der Naturstoff wehrt sich.

Der Film kann es. Ein vom Künstler gemalter Film ornamentiert selbst den Menschen. Er kann ein gotisches Gemälde lebendig machen; futuristisches Vielerlei in die ihm zukommende Raserei versetzen. Hier sind Aufgaben für die wahren Genies des Films _...« (FZ 557/1,30.7.)

»Die Filmstadt (Felix Langer)
Doch mit der grandiosen Ausstattung allein kann die Entwicklung des Films noch nicht abgeschlossen sein. Es gilt jetzt, glaube ich, die Seele des Films zu entdecken, die sich in der Sprache des Films unabhängig von den zwischen Bild und Bild eingeschalteten Texten kundtut und die tiefere, die mutatis mutandis dichterische Wirkung des Films bewirkt, die auch mit Millionenaufwand allein nicht hervorgebracht werden kann.

_... So dürfen dem Film noch Entdeckungen blühen, die ihn vom - Kunstgewerbe, das er heute zum grossen Teil noch ist, zur wirklichen Kunst erhöhen werden. Er wartet seines Lessing, seines Laube und Brahm.« (FZ 528/1, 20. 6.)

»Technische Unvollkommenheiten im Film
Die Einwirkung der Farbe wird jedoch erst vollkommen sein, wenn das stereoskopisch wirkende Projektionsbild geschaffen ist. Erst dann, wenn dieses Bild Plastik und Farbe der Wirklichkeit verbindet, wenn es einen in die Tiefe gehenden Raum zu haben scheint, ist die endgültige Illusion erreicht. Es huscht flüchtig vorüber, ohne lange im Gedächtnis zu haften _... Eine Änderung wird erst dann eintreten, wenn das dreidimensionale - also körperlich wirkende - Lichtspiel seinen Einzug gehalten haben wird. _... Ob nun die Bereicherung jener _... unmöglich lebenswahrer Belebung des Lichtspiels mit Stimme, Musik und dgl. von Vorteil ist, darüber kann man verschiedener Meinung sein. M. E. versteht ein jeder das stumme Lichtspiel nach seiner Art, deutet und erlebt den Inhalt auf seine Weise. _... So kommt es, dass die Wirkung des stummen Lichtspiels einen jeden auf irgendeine Art erreicht, aber ausnahmslos alle.« (FTZ II 13/14, 30.7.1920)

»Das Lichtspielplakat (Dr. K. E. Krack)
Dass die Lichtspielplakate eine künstlerische Angelegenheit sind und dass sie eben deshalb nur Künstlern zur Lösung überlassen werden sollten, ist noch immer nicht hinlänglich bekannt genug. _...Im allgemeinen scheint sich der Grundgedanke Geltung verschaffen zu wollen, nur das Grellste und Groteskeste im Film auszuposaunen. Das Plakat wird infolgedessen nur mehr zu einem bunten und schreienden Aushängeschild für zweifelhafte Sensationen.« (FTZ II 9, 20. 5.1920)

»Die kranke Sehnsucht kleiner Mädchen (Robert Heymann)
_... Wir haben jetzt eine Filmpsychose zu verzeichnen, und alle, die es mit dem Film ehrlich meinen und nicht wünschen, dass er zu einer Zuchtstätte erotischer Treibhausblumen erniedrigt wird, müssen sich gegen diese Flimmer-Grippe wehren, von der seit einigen Jahren die kleinen Mädchen, die meist ihre geistige und seelische Entwicklung noch nicht beendet haben, ergriffen sind. _... Die Verehrung nimmt Formen an, die durch die unreife Erotik auf den Gipfel der Geschmacklosigkeit getrieben werden, und die »Lieblinge« spielen die Rollen von Toreros und Gladiatoren. Diese schätzte man nach dem Bizeps ab, die heutigen Günstlinge nach ihrem Schneider und ihrem Friseur. _...Freilich muss an dieser Stelle gesagt werden, dass viele »Lieblinge« im Film nicht minder schuldig sind an dem seltsamen Zustand als die kleinen Mädchen, und sie selbst verwechseln die nach dem Gesetz in ihrer Ausübung heute noch strafbaren Wünsche der nicht Sechzehnjährigen mit »Kunstbegeisterung«.« (FTZ II 8,4.5.1920)

»Die Filmzensur
_...Bei der vorwiegend sensationellen Einstellung unserer Filmmacher ist sehr zu befürchten, dass sie, wenn ihnen die Möglichkeit genommen wird, sexuelle und kriminelle Sensationen vor das Publikum zu bringen, uns noch lächerlichen und verblödenden Kitsch vorlegen werden. Hiergegen bietet das Gesetz, soweit es die Kompetenzen der Prüfungsstellen festsetzt, keine Handhabe.« (FZ 50/1, 20.1.) »Zusatz zum § 1 des Filmgesetzes:
»_...Die Zulassung darf wegen einer politischen, sozialen, religiösen, ethischen oder Weltanschauungstendenz als solcher nicht versagt werden. Die Zulassung darf nicht versagt werden aus Gründen, die ausserhalb des Inhalts der Bildstreifen liegen.« Nach einem Antrag von Arnstodt (D. Nat.).« (FZ 63/2, 24.1.)
»Nach § 3 bedürfen Filmstreifen zur Vorführung vor Jugendlichen (nach der Vorlage unter 17, nach der Ausschussfassung unter 18 Jahren) einer besonderen Zulassung. Der Ausschuss beantragt weiter, Kinder unter 6 Jahren zu Kinovorstellungen überhaupt nicht zuzulassen.
_... und der § 3 wird in der Fassung des Ausschusses angenommen.« (FZ 277/1, 16. 4.) § 5 erhält folgende Fassung: »Die Prüfung der Bildstreifen umfasst die Bildstreifen selbst, den Titel, den verbindenden Text und die dazu gehörende Bild- und Plakatreklame, soweit letztere bildliche Darstellung enthält.« (FZ 59/1, 23.1.)

»Im Frankfurter UT rollt in diesen Tagen Paul Wegeners neuer Film »Der Golem, wie er in die Welt kam« über die Leinwand. Es ist eine Umarbeitung des älteren Wegenerschen Golem-Films und wirkt runder, geeinter als der erste. Ein wirkliches Meisterwerk neuer Filmkunst, geschmackvoll und sicher in seinem Aufbau. In gerader Linie wird, ohne dass wie bei den meisten Filmen Lücken entstehen, die alte jüdische Fabel vom Golem, den Rabbi Löw zum Leben erweckt, verlebendigt. Die Massenszenen sind von einer erstaunlich straffen Geeintheit, die schauspielerischen Leistungen vollendet. Allen voran steht Wegeners überlebensgrosser Golem, der oft mit nur einer gewaltigen Geste eine ganze Szene umreisst. Ihm reihen sich in gleicher künstlerischer Höhe an: Lydia Salmonova, Albert Steinrück, Ernst Deutsch, Lothar Müthel und Hans Sturm. Das überraschende aber sind die unheimlichphantastischen Architekturen und Landschaften, die Hans Pölzig geschaffen hat. Das Ghetto wächst vor uns auf mit all seinem Zauber und seiner Gruseligkeit. Zur Untermalung des Films hat Dr. H. Landsberger eine Musik geschrieben, die versucht, fünf Akte klanglich zu verdeutlichen.« (FZ 884/3,13.11.)

Zu Anna Boleyn: »Soweit die Qualität eines Filmwerks nach seiner Kraft, Spannung und Rührung zu erregen, beurteilt werden soll sowie nach dem Aufwand an Bauten, Massenwirkung und Kostümen - soweit bedeutet der Film »Anna Boleyn«, der eben im Frankfurter »UT« mit Berlin zusammen zur Aufführung kam, eine erstklassige Leistung. Abgesehen von dem äusserst geschickten Arrangement der Historie von der unseligen Frau Heinrichs VIII. muss Jannings in der Rolle des bestialischen Renaissance-Tyrannen als einer der besten Kinodarsteller bezeichnet werden. Neben ihm repräsentiert Henny Porten mit allen Mitteln der Kinoplastik die tragische Dulderin.« (FZ 913/2, 9.12.)

»Briefe im Film (Dr. K. E. Krack)
_...So sieht man immer wieder noch den Regiefehler, dass Briefe verschiedener Personen ungehindert dieselbe ungelenke und ausdruckslose Schrifttype aufweisen, die von einem untergeordneten Regiegehilfen zu stammen scheint _...« (FTZ II 10, 3. 6. 1920)

In FTZ II 2,19.1.1920, träumte Ernst Grau von der »1. Filmausstellung _... Ich will nun hier nicht jedes Stück der Ausstellung herzählen _..., aber einige Stücke waren doch zu eigenartig, um sie hier stillschweigend zu übergehen _...
Wie im Zeughaus unter einem Glaskasten der Hut und Degen des 1. Napoleon aufbewahrt, so werden hier mit derselben Ehrfurcht die Detektivattribute Joe Jenkins gezeigt. Auch der Klubsessel, in dem der 1. Aufklärungsfilm ausgebrütet wurde, fehlt nicht. Spass bei dem Geschäft! Der Rahmen, der darüber hängt, mit der Überschrift: »Bildnis der höheren Tochter, die noch keinen Sittenfilm gesehen hat«, ist leer. Wird es vermutlich auch bleiben. Eine weinende Frauengestalt von vollendeter klassischer Schönheit bezeichnete mir der Direktor als die aus dem Film verbannte Logik. Mehr Interesse zeigte ich noch für die unter Glas und Rahmen aufbewahrte erste und einzige Honorarquittung für ein Filmmanuskript eines gänzlich unbekannten Filmdichters ohne jegliche Beziehungen.«

»Auf der Einfuhrmesse ist zum ersten Male auch die Lichtbild-Industrie vertreten und in der in der Nähe liegenden Gewerbeschule untergebracht. Zum Unterschied von der Leipziger Messe sollen hier nicht nur die Apparate, Lampen und Kinozubehörteile ausgestellt werden, sondern es sollen auch in eigenen eleganten Vorführungsräumen deutsche Filme gezeigt werden.« (FTZ I 3,8.10.1919)

»Eröffnung der Palastlichtspiele in Offenbach/M.
Ein neues Kino in der Grossen Marktstrasse, geschmackvoll, kunstvoll ausgebaut, mit elektrischer (!) Heizung versehen, mutet es an wie ein kleiner Schmuckkasten. Die Rampe vor der Bühne, hinter welcher ein gutes Orchester sitzt, ist mit reichem Blumenschmuck versehen, welcher der Direktion zur Eröffnung übermittelt wurde. Diese hat ihren geladenen Gästen, die das Theater bis auf den letzten Platz füllten, mit einem vorzüglichen Programm aufgewartet. Das starke, gut eingespielte Orchester unter der Leitung des Herrn Jakob Lauer jr. brachte einige Musikstücke zum Vortrag. Herr Wendung, mit einer prächtigen Baritonstimme ausgestattet, sang den Prolog aus »Bajazzo«. Hierauf folgte das rühmlichst bekannte Offenbacher Soloquartett mit Kreutzers »Schäfers Sonntagslied«. Herr Lauer brachte ein Violinsolo »Le Canari« von Polakin meisterhaft zum Vortrag, und Herr Gries erntete reichen Beifall für sein Xylophonsolo »Zigeunerspiele«. Herr Leopold Rosenberger vom Frankfurter Kunstfllm-Verleih begrüsste die Anwesenden in einem Prolog, in dem er versicherte, dass die Direktion bemüht sein wird, nur Gutes zu bringen. Als Filmpremiere für Offenbach hatte man »Madame Dubarry« gewählt und damit einen guten Griff getan _...« (FTZ I 8, 21.11.1920)

Das UT im Schwan wird in 14 Tagen fertig (1040 Plätze). »Neu für Frankfurt sind Verkaufsstände von Büchern, Zigarren und Konfitüren, die im Vorraum errichtet werden.« (FTZ II 15/16,3.9.1920)

»Erstaunlich ist, dass Frankfurt, der Platz mit der grössten kommerziellen Bedeutung Deutschlands, erst jetzt eine Industrie erhält, welche in Amerika an 3., in Frankreich und Italien an 7. Stelle steht und in Berlin und München hoch entwickelt ist.«

Die erste Filmfirma in Frankfurt war die Ideal G.m.b.H. »Diese Firma hat das Bestreben, nur Qualitätsfilme! (keine Aufklärungsfilme!) herzustellen und wird hierfür, um die Liebe zum engeren Vaterlande in die breiteren Massen zu tragen, ihre Aufnahmen im schönen Taunus, an der Bergstrasse, am Neckar und hoffentlich auch bald am Rhein herstellen. Dazu hat sie sich noch als besondere Aufgabe die Herstellung von wissenschaftlichen Filmen gestellt und sich dazu der Mitarbeit der Universität Frankfurt am Main versichert.«

Es folgten die Mainfilm (später Metis GmbH), Film am Main GmbH, Titanfilm, Khepra Film Gesellschaft und Fluck-Film (in späteren Jahren noch andere).

»Als erstes Fabrikat der »Film am Main GmbH« wurde in Berlin der Film »Zwangsliebe im Freistaat« hergestellt. Um dieses Filmwerk sind bereits heftige Pressefehden entstanden. Besonders hier wurde heftig gegen diesen Film agiert und derselbe der Staatsanwaltschaft zur Beschlagnahme empfohlen. Gewiss, es ist mit aller Entschiedenheit gegen die Fabrikation von Schundfilmen vorzugehen, aber es ist unbedingt zu verwerfen, dass eine Gruppe von Leuten gegen einen Film arbeitet, von dem noch niemand etwas anderes kennt als den Titel. Zum Protest gegen einen Film ist immer noch Zeit, wenn man denselben gesehen hat und beurteilen kann, ob er gut oder schlecht ist. Es ist verfehlt, denselben zu bekämpfen, nur weil der Titel der Phantasie etwas freien Spielraum lässt.« (FTZ I 1, 13. 9.1919)

In dem Heft der FTZ I 8, 21.11.1919, ist auch die Gründung des ersten Frankfurter Filmclubs angezeigt. Interessenten trafen sich, »um die realen und idealen Interessen der Kunst im Film zu fördern«. Neben der Ausbildung von Filmnachwuchs für die Frankfurter Filmindustrie brachte der Club Vorträge, um das breite Publikum über den Film zu unterrichten.

»Aus der Filmindustrie. Zur Einfuhr zugelassen werden nur Negative, um den heimischen Kopieranstalten usw. die Arbeit nicht zu entziehen. _...Die augenblickliche Lage in der Filmindustrie scheint nicht ungünstig, über die Lustbarkeitssteuer wird noch viel geklagt, trotzdem füllen sich die Kinos wieder, und die grossen Berliner Filmpaläste bringen Tageslosungen, um die sie manches Theater beneiden wird. Bei der (mit viel Reklame angekündigten) Erstaufführung von »Sumurun« wurden z.B. M 20400 eingenommen, von denen allerdings über M 3000 für Steuern abgehen, auch die Unkosten dürften nicht gerade gering sein.« (FZ 668/2, 9. 9.)

»Wie wir der Zeitschrift »Der Film« entnehmen, hat jetzt die Kulturabteilung der Ufa von der Reichsregierung die Verwaltung der Filmbestände der Reichsfilmstelle erhalten. Es handelt sich hier um eine grosse Anzahl sehr guter Landschafts-, Städte- und Völkeraufnahmen sowie eine grosse Anzahl industrieller, landwirtschaftlicher und gewerblicher Filme. Die Kulturabteilung wird den Verleihbetrieb unter Aufsicht des Reiches und gegen Zahlung einer jährlichen Entschädigung an das Reich fortführen.« (FTZ I 2, 27. 9.1919)

      (Auswahl der Zeitungsausschnitte: Herbert Birett)
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Anm. d. Red. Im Folgenden drucken wir einen Bericht ab, der von einer Schallplatte, die uns das »Lautarchiv der deutschen Rundfunkanstalten« freundlicherweise zur Verfügung stellte, abgeschrieben wurde. Diese Platte wurde gepresst, um den Funktionären im diplomatischen Dienst im Ausland Anweisungen zu geben, wie sie den deutschen Film dort einzusetzen hätten. Wir bitten unsere Leser, darauf zu achten, mit welcher Raffinesse die Ziele der Partei mit dem Wunsch der Auslandsdeutschen, die Kontakte mit der Heimat aufrechtzuerhalten, verbunden werden.
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Der NS-Film

Unter den der Partei zu Gebote stehenden Mitteln, den deutschen Menschen zum Nationalsozialisten zu erziehen, steht neben Presse und Rundfunk der Film an hervorragender Stelle, Wenn wir also heute die Landesgruppen der NSDAP regelmässig mit Tonfilmen beliefern, so wollen wir hiermit den auslandsdeutschen Volksgenossen durch von unseren politischen Leitern anberaumte Vorführungen wenigstens einmal im Monat einen lebenswahren Ausschnitt aus dem Tun und Treiben der Heimat vermitteln. Den Parteigenossen draussen, mag er nun als langjähriger Angestellter einer deutschen Bankniederlassung in China sitzen oder als Farmer in Kanada tätig sein, wollen wir mit dem Film »SA-Mann Brand« einmal vor Augen führen, was er nie erlebt hat. Den Kampf der SA-Kameraden in der Heimat um den siegreichen Durchbruch unserer NS-ldee. Den Kindern deutscher Eltern, die vielleicht in Südamerika oder auf dem Balkan geboren sind und Deutschland nie gesehen haben, zeigen wir im Film »Hitlerjunge Quex« das Leben und Sterben jenes unbekannten Hitlerjungen, der treu zur Fahne Adolf Hitlers stand. Denjenigen politischen Leitern aber und PGs, die aus beruflichen Gründen am Parteitag des letzten Jahres nicht teilnehmen konnten, müssen und wollen wir einen Ersatz schaffen. Wenn in diesen Tagen der Film »Triumph des Willens« der Mehrzahl unserer Auslandsgruppen zugeht, so geben wir damit den PGs draussen und darüber hinaus einem weitgezogenen Kreis deutscher Volksgenossen die Möglichkeit, das Erlebnis jener Tage in Nürnberg in sich aufzunehmen, um aus dem Gesehenen und Gehörten das Gelöbnis zur weiteren Einsatzbereitschaft für Führer und Volk zu formen, so, wie es bei uns der Fall ist. Aber nicht nur die Höhepunkte unseres politischen Lebens sollen vor dem Auslandsdeutschen im Film abrollen, wir wollen ihn auch mit dem Alltag vertraut machen. Im Film »Echo der Heimat«, der einen Tatsachenbericht aus Deutschland darstellt, zeigen wir ihm unsere Volksgenossen bei der Arbeit. Er bekommt einen Einblick in das gigantische Werk der Reichsautobahnen. Er sieht das Aufblühen unserer Schiffahrt in den deutschen Handelsstädten und den Aufschwung unserer Industrie in Mittel- und Süddeutschland. Wir lassen ihn aber auch in das geschäftige Leben eines Arbeitsdienstlagers hineinschauen und an einer Veranstaltung des Amtes »Kraft durch Freude« teilnehmen, damit er die Einrichtungen kennenlernt, die uns in der Heimat zu einem vertrauten und festumrissenen Begriff geworden sind. Mit der Gestaltung und Beschaffung dieser Filme hört aber die Arbeit nicht auf.

Es ist nun Aufgabe der Hoheitsträger der Partei, die ihnen von der Gaufilmstelle der Auslandsorganisation zugeleiteten Filme vorzuführen und dafür Sorge zu tragen, dass auch der letzte deutsche Volksgenosse im entlegensten Winkel des oft das Vielfache des deutschen Bodenraumes betragenden Aufgabengebietes zu diesen Aufgaben herangezogen wird. Zur Vorführung selbst muss ein Lichtspielhaus am Orte zu einer spielfreien Zeit - also etwa am Sonntagmorgen - gemietet werden. Gewisse unserer grossen Auslandsgruppen sind hier schon besser dran. So besitzen beispielsweise die Landesgruppen Argentinien, Brasilien und Chile bereits tragfähige Kofferapparate, die sie unabhängig von den Lichtspielhäusern machen und es ihnen ermöglichen, auch unseren im Urwald oder in den Pampas wohnenden Volksgenossen, wo kein Kino vorhanden ist, im Film ein Stück unseres neuen Deutschlands zu zeigen. Neben den Normaltonfilmen findet natürlich auch der Schmalfilm bei unseren Gruppen Verwendung. Er wird überall dort eingesetzt, wo Vorführungen mit grossen Filmen aus technischen Gründen nicht möglich sind. Es werden nun aber bei Ortsgruppenveranstaltungen und Schulungsabenden nicht nur die Schmalfilme gezeigt, die etwa die vorjährige Heerschau des Landvolkes zum Erntedanktag auf dem Bückeberg zeigen oder von dem gewaltigen Aufmarsch zum 1. Mai auf dem Tempelhofer Feld berichten. Viele unserer PGs haben im Lande selbst Aufnahmen gemacht, die, zu einem Film vereinigt, besondere Ereignisse, wie die Einweihung eines Ortsgruppenheimes im Süden Chiles oder die Abhaltung der Sonnwendfeier eines kleinen Stützpunktes in Tanganjika, zum Gegenstand haben. Diese Kurzfilme geben nicht nur Aufschluss über unsere Auslandsgruppen, sondern bringen vielfach Bilder mit charakteristischen Merkmalen in bezug auf Landschaft und Kultur des jeweiligen Gastlandes. Der Wirkungsbereich von Filmen dieser Art soll selbstverständlich nicht auf das Tätigkeitsfeld der herstellenden Landesgruppe beschränkt bleiben. Die Gaufilmstelle der Auslandsorganisation hat jetzt einen Austauschdienst eingerichtet, aus der Erwägung heraus, dass es beispielsweise den PGs in China Freude machen wird, an Hand eines Filmes aus der Schweiz zu erfahren, wie dort gearbeitet wird, während andererseits der Einsatz eines von der Landesgruppe China hergestellten Schmalfilmes für unsere Ortsgruppen und Stützpunkte in der Schweiz eine wertvolle Bereicherung ihres Aufklärungsprogramms bedeuten würde. So dient uns der Film in seiner mannigfaltigen Gestalt und Anwendungsmöglichkeit zur lebendigen Werbung für die NS-ldee und gewissenhaften Aufklärung über das Geschehen in unserem heutigen Deutschland.
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Filmplakate

Zu Anfang des Sommersemesters stellte das Filmstudio im 1. Stockwerk des Studentenhauses eine Sammlung von zeitgenössischen Filmplakaten aus. Dafür wurden nur solche Plakate ausgewählt, die dem Stand der modernen Grafik entsprechen und darüber hinaus allen werbetechnischen Anforderungen genügen.

Glücklicherweise waren die Werbechefs der verschiedenen Verleihe nicht erschienen. So konnten sie sich keine Anregungen holen, die uns dann halbverdaut von den DIN-A00-Plakaten andünsten würden.

Während der Pfingstferien trafen sich auf Einladung der Fiag in Kiel die Vertreter fast aller deutschen studentischen Filmklubs, um an den »Deutschen Filmtagen 1960« teilzunehmen. Als prominente Gäste aus dem Ausland kamen Rune Waldekranz (Produktionschef der Sandrew AB, Stockholm; Co-Autor von Knaurs »Buch vom Film«) und Prof. Jean Mitry aus Paris, die in ihren Vorträgen auf das Filmschaffen Murnaus und Längs eingingen. Willy Haas gelang es - wenn auch nicht von der wissenschaftlichen Seite her -, die Zeit des deutschen Stummfilms durch kleine Anekdoten zu erhellen. Dr. Rathsack, der Organisator der »Deutschen Filmtage«, stand mit seinen Schwierigkeiten, alte deutsche Filme zu beschaffen, nicht allein da, denn auch die Veranstalter von deutschen Filmwochen etwa in Argentinien und Norwegen mussten sehen, dass sie die nötigen Filme ausserhalb Deutschlands bekommen konnten. Nicht immer wird ihnen dabei - wie in Kiel - ein Transportarbeiterstreik in Paris einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.


Film ohne Titel
Produktion: Camera-Film, 1948; Regie: Rudolf Jugert; Buch: Helmut Käutner, Ellen Fechner, Rudolf Jugert; Kamera: Igor Oberberg; Darsteller: Hildegard Knef, Hans Söhnker, Irene von Meyendorff, Willy Fritsch u. a.
Eine deutsche Filmkomödie und trotzdem kein Klamauk, sondern freundliche Ironie, elegant, ja, man kann sagen: von erquickender Einfachheit. Das gab's tatsächlich, es ist schon einige Zeit her - 1948 in der britischen Zone gedreht, frohlockte man damals, dass Deutschland mit diesem Film wieder internationales Format erreichen würde. Ein Optimismus, der in dieser Zeit des neuen Beginnens lag und der sich auch im Film widerspiegelt. Die Story: sie beginnt mit einer Rahmenhandlung; drei Filmleute: ein Autor, ein Regisseur und ein bekannter Schauspieler begeben sich aufs Land, um einen neuen FilmstofF zu finden. Sie wissen nur, was sie nicht wollen; und das ist alles, was mit Krieg zu tun hat, keine Soldaten, keine Bomben. Ein Herr in mittleren Jahren begegnet ihnen mit seiner jungen frischen Frau vom Lande. Der Regisseur beginnt die Geschichte dieser beiden zu erzählen. Schnitt. Rückblende.
Das Filmleben hört auf, und das wirkliche Leben beginnt. Scheinbar ohne dass es das Filmteam verhindern kann, ist die Story mitten im Berlin der Bombennächte: eine einfache Liebesgeschichte zweier völlig unterschiedlicher Menschen, die das Chaos des Krieges zusammenführt. Die Komödie beginnt mit dem Versagen der Filmproduzenten, »ihr« Lustspiel zu machen, weil das wirkliche Leben dieses Paares den Filmstoff diktiert. Eine Fülle von Einfällen, satirischen Seitenhieben und netten Gags entspringen diesem Gegeneinanderspiel. Das Ergebnis ist die Geschichte eines Schicksals aus dieser Zeit, heiter und komisch, aber doch ernst, zu ernst, um in grossen Worten eingefangen zu werden.
Hildegard Knef war zu dieser Zeit gerade dabei, Hildegarde Neff zu werden, und man bedauerte dies in Deutschland gerade nach ihrem Auftritt in diesem Film. Heute haben wir sie wieder, doch was für den Broadway ein Erfolg war, scheint für den deutschen Film noch lange nicht zu reichen.       mjr
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Überfall
Stummfilm; Regisseur: Ernö Metzner, 1928; Kamera: Ernö Metzner; Darsteller: Hans Casparius, Kurt Gerron.
Ernö Metzner kam, wie Ruttmann, von der Malerei zur Filmarchitektur. Durch »Überfall« wurde er zu einem der wichtigsten Vertreter des »absoluten Films«. Sein Film stellte nach Hans Richter »eine gespenstische Kriminalgeschichte dar und bediente sich geschickt aller Erfahrungen und technischen Kunstgriffe der Avantgarde sowie der Montagetechnik des russischen Films. So wird z. B. der Fieberwahn eines Verletzten mittels deformierender Linsen, mit konkaven oder konvexen Spiegeln wiedergegeben. Dieser Film übertrug die Ergebnisse der avantgardistischen Arbeit zum ersten Male auf die Filmgattung des »Reissers«, und seine Technik wurde sofort von der industriellen Produktion übernommen«.
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Der Hauptmann von Köpenick
Produktion: Roto, Deutschland, 1931; Regie: Richard Oswald; Buch: Carl Zuckmayer und Albrecht Joseph, nach dem gleichnamigen Theaterstück von Carl Zuckmayer; Kamera: Ewald Daub; Darsteller: Max Adalbert, Käthe Haack, Friedrich Kayssler, Max Gülstorff.
Dieser Film behandelt in seiner etwas unentschiedenen Mischung aus Lustspiel und Satire das Schicksal des berühmten und berüchtigten Schusters Wilhelm Voigt, der 1906 der ganzen Welt ein Beispiel von der Absurdität des preussischen Militarismus gab.
33 Jahre hat der Schuster Voigt im Zuchthaus gesessen, bis er endlich wieder ein freier Mann ist. Aber ohne Pass ist die Freiheit im Lande Wilhelms II. (»Am deutschen Wesen _...«) nichts wert. Durch einen seltenen Geniestreich setzt er sich mit Hilfe eines alten Hauptmannsmantels im Rathaus von Köpenick in den Besitz der Macht und eines Passes zur Ausreise aus Preussen. Selbst der Kaiser soll damals über diesen Streich gelacht haben. Sein Volk lernte darüber das Weinen.
Dieser Streifen ist eine filmische Offenbarung. Seine Kameraführung - z. B. die Aufnahme des spiesserhaften Bürokraten, der Blick von unten herauf, die Kamera sieht mit dem skeptischen Blick der Subalternität -, die Schnittmontagen - wie schnitt man damals in den mechanischen Ablauf einer zackigen Wachtparade Szenen letzter menschlicher Verzweiflung hinein - und die Gestaltung der Kulissen, wunderbare Zeichnung der wilhelminischen Grossmannsära, weisen eine stilistische Geschlossenheit auf, die manche Nachkriegsavantgardistereien vermissen lassen.
Das Wiedersehen mit Max Adalbert in der Rolle des alten, vom Leben enttäuschten Schusters, mit Max Gülstorff und Friedrich Kayssler gibt dem Zuschauer ein Bild deutscher Schauspielkunst, die lange tot ist.       wv
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Die ist nicht von gestern Born Yesterday
Produktion: Columbia Pictures, USA, 1950; Regie: George Cukor; Buch: Albert Mannheimer, nach einem Bühnenstück von Garson Kanin; Darsteller: Judy Holliday, William Holden, Broderick Crawford.
An New Yorks Broadway war die Komödie »Born Yesterday« fast ein Jahr lang ein ständig ausverkaufter bejubelter Erfolg, ehe Hollywood die Story adaptierte. Judy Holliday bekam - wie schon in dem Bühnenstück - die weibliche Hauptrolle und erspielte sich mit der intellektuellen Darstellung einer »dummen Frau« einen »Oskar«.
Schrottobergangster und Millionär Harry Brock zählt Billie, die »dumme Blonde«, seit Jahren zu seinem Tross. Mit Hilfe eines korrumpierten Staatsangestellten will er sich einen Platz innerhalb der »high society« Washingtons ergattern. Billies Mangel an Etikette und Unkenntnis gesellschaftlicher Gepflogenheiten drohen Harrys Pläne zu zerstören. Er besorgt ihr einen Lehrer (»Sunset Boulevard«-Holden), der ihr Manieren beibringen soll. Wie sie unter dessen Händen langsam zu denken lernt, die Fehler ihres Lebens und die Tatsache erkennt, dass Geld allein nicht alles kaufen kann, das ist ein wahres Vergnügen. Nun sollen uns aber die treffsicheren Dialoge (verdeutscht von Helmut Käutner), das Temperament und die darstellerische Leistung der Schauspieler nicht darüber hinwegtäuschen, dass der reichlich stimmungsvolle demokratische Optimismus, den der Schluss zum Ausdruck bringt, übertrieben ist. Wenn dieser Film sich sozialkritisch gibt, so fällt uns auf, dass er sich nicht gegen die obere Klasse richtet, sondern gegen einen ungebildeten Emporkömmling, der aus proletarischen Schichten stammt.       ams
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Lachen ohne Ende
Produktion: Filmgeschichtliches Institut in Berlin, 1919-1929 und 1952; Darsteller: Charlie Chaplin, Harold Lloyd, Buster Keaton, Monty Banks, Monty Collins.
Die Groteskhelden der Stummfilmzeit kommen zu neuen Ehren. Charlie Chaplin, Harold Lloyd, Buster Keaton, Monty Banks und Monty Collins werden aus ihrem Archivschlummer geweckt und dem heutigen Publikum präsentiert: Was einstmals als billiges Gaudium erscheinen mochte, ist heute herzerfrischende Kuriosität. Die naive Tragikomik der Initiatoren des Stummfilms ist dem primitiven Raffinement der heutigen Vergnügungsindustrie um einiges überlegen, nicht zuletzt durch die Unmittelbarkeit und den Ernst ihres Bemühens. Charlie Chaplin, der sein Mittagessen nicht bezahlen kann, feiert mit seinen Verzweiflungsqualen Triumphe. Oder wie er beim Pfandleiher einen Wecker auseinandernimmt, das tickende Etwas abriecht, abtastet, abhört, liebevoll und gründlich zerstört, das ist unübertrefflich in seiner ernsthaften Verrücktheit. Harold Lloyd, der ängstlich-verwegene Tolpatsch mit der grossen Brille, versucht sich als Feuerwehrhauptmann, und Buster Keaton versinkt mit tieftraurigem Gesicht in Schlammpfützen oder verheddert sich hilflos in den Tücken einer Theaterdekoration. Zu den stärksten Szenen dieses Streifens gehören die unfreiwilligen Akrobatenleistungen, die Monty Collins auf dem Baugerüst eines Wolkenkratzers zwischen Himmel und Erde vollbringt.
Wie ungleich diese fünf der berühmtesten Komiker aus dem Amerika der zwanziger Jahre im einzelnen sind, sie sind es alle wert, wieder gezeigt zu werden. Und sie gleichen sich alle in dem Geheimnis ihrer Wirkung. Sie sind traurig, verzweifelt und Fremdlinge in unserer organisierten Welt. Und eben weil ihnen alles und gerade das Schlimmste zustösst, weil sie von Fall zu Fall getrieben und gestossen werden, ohne etwas zu begreifen, sind ihre Abenteuer auch in den verfänglichsten Situationen (wie in Monty Banks' unfreiwilliger Hochzeitsreise) kaum peinlich oder geschmacklos. Hinter der vordergründigen Situationskomik spürt man die menschliche Wärme ihres Könnens.       -ich
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Der zerbrochene Krug
Produktion: Tobis-Magna-Film, Deutschland, 1937; Regie: Gustav Ucicky; Buch: Thea von Harbou; Kamera: Fritz Arno Wagner; Musik: Wolfgang Zeller; Darsteller: Emil Jannings, Angela Sallocker, Paul Dahlke, Elisabeth Flickenschiidt, Friedrich Kayssler, Max Gülstorff, Bruno Hübner.
Man hielt Jannings für verrückt, als er mit der Verfilmung von Kleists Lustspiel »Der zerbrochene Krug« begann, und feierte und lobte ihn nachher um so mehr, als er den Film der Öffentlichkeit vorstellte. Jannings war in keiner Weise ungedeckt in den Kampf gezogen. Das ausgezeichnete Darstellerensemble, die Kameraarbeit Fritz Arno Wagners und Jannings' eigene philologische Genauigkeit in der Interpretation des einzelnen Wortes verhalfen ihm zu diesem Erfolg.
Trotz der wortgetreuen Wiedergabe wird der Film nicht zur photographierten Bühnenaufführung, sondern bleibt vollkommen filmgerecht (bis auf zwei Überblendungen besteht der Film nur aus Schwenks und Schnitten). Das Mimische steht stark im Vordergrund, besonders bei Jannings, der trotz seiner zentralen Rolle niemals die anderen Darsteller »an die Wand« spielt. Der Film wird durch seine harmonische Gesamtheit zu einem unvergesslichen Erlebnis deutscher Film- und Schauspielkunst.       -no
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Der Apfel ist ab
Produktion: Camera, Deutschland, 1948; Regie: Helmut Käutner; Darsteller: Bobby Todd, Betina Moissi, Joana Maria Gorvin.
Als nach dem letzten Weltkrieg die deutsche Filmindustrie nicht nur künstlerisch, sondern auch finanziell am Boden lag, besann sich eine unserer wenigen vielseitigen Begabungen (Autor, Regisseur, Schauspieler, Bühnenbildner, Kabarettist und Graphiker), nämlich Helmut Käutner, auf ein Manuskript, das noch aus den dreissiger Jahren, als er noch bei den Münchner »Vier Nachrichtern« auf den Brettern stand, in seinem Koffer lag. Aus einem »Bibelstoff«, nämlich dem Sündenfall, wollte er einen kabarettistisch-surrealen Schwank machen. Auch der Titel lag schon vor: »Der Apfel ist ab.« Bei diesem biblischen Thema fühlte sich die katholische Kirche zuständig, ein Wörtchen mitzureden, und so erschien eines Tages ein Jesuitenpater namens Gritschneider im Atelier und begehrte ein Exemplar des verdächtigen Drehbuches. Da Drehbücher im allgemeinen nicht frei zu erwerben sind - und sicher auch aus anderen Gründen -, wurde dieses Ansinnen schlicht abgelehnt. Das hinderte aber den findigen Pater nicht, sich auf einem nie ganz erhellten Wege trotzdem ein Exemplar zu verschaffen, es siebenmal zu vervielfältigen und an eventuell interessierte Personen weiterzuleiten. Die Aktion führte zu dem gewünschten Protest mehrerer Theologen gegen die Produktion dieses Films. Ein paar Tage später protestierte Käutner auf einer Pressekonferenz dagegen, »dass die katholische Kirche in das freie geistige Schaffen des neuen deutschen Films eingreife«. Gleichzeitig nannte er den Pater einen »Dieb und Lügner« und drohte mit Emigration.
Die Entgegnung der Kirche liess nicht auf sich warten. In einer weiteren Pressekonferenz erklärte Weihbischof Dr. Johann Neuhäusler, die katholische Kirche nehme für sich das demokratische Recht der Kritik an Filmen in Anspruch, die offensichtlich das religiöse Empfinden verletzten. Im übrigen nehme die katholische Kirche dem Film gegenüber keine feindliche Stellung ein, sondern sei bereit, ihn zu unterstützen als eine gottgegebene Möglichkeit edler Unterhaltung, Bildung und Erziehung. Um der Aktion überkonfessionelles Gewicht zu geben, waren Protestanten und Juden mit ähnlichen Erklärungen hilfreich beigesprungen.
Auf der gleichen Pressekonferenz gab der damalige Vorsitzende des Produzentenverbandes, Curt Oertel, eine Stellungnahme ab, die besagte: Solange die geplante Selbstzensur noch nicht vorhanden sei, gelten die Bestimmungen der Militärregierung, die eine allgemeine, politische Überprüfung vorsehen und im übrigen eine freie Produktion zusichern. Auch die Gewerkschaft für kulturell und geistig Schaffende liess verlauten: »Nachdem zwölf Jahre lang künstlerische Arbeit unter dem Druck der Diktatur durchgeführt werden musste, wenden wir uns heute schärfstens gegen jede Art von Bestrebungen, die die künstlerische Arbeit in ihrem Werdeprozess gefährden und damit die geistige Freiheit in Frage stellen könnten. Derartige Übergriffe würden nicht nur eine Beeinträchtigung unserer mühsam errungenen Freiheit, sondern gleichzeitig einen kulturellen Rückschritt bedeuten und wären mit den demokratischen Grundprinzipien nicht zu vereinbaren.«
Erst den Vertretern der Militärregierung gelang es, einen Burgfrieden zu stiften, indem sie die Kontrahenten in »re-education«-Manier an einen gemeinsamen grünen Tisch holte. Die Sitzung fand am 4. Juni 1948 in den Räumen der Bavaria in München statt und dauerte von 20.30 Uhr bis 3 Uhr morgens. In einem gemeinsam verfassten Kommunique heisst es:
»1. Es wurde einmütig festgestellt, dass die Versammelten den Gedanken der Selbstkontrolle der deutschen Filmindustrie bejahen und an ihm grundsätzlich festhalten. Es wurde darauf hingewiesen, dass auf ihre baldige Einführung von allen Seiten stärkstes Gewicht gelegt wird.
2. Helmut Käutner erklärte, dass ihm bei der Herstellung dieses Films jegliche Absicht einer Verletzung des religiösen und sittlichen Empfindens fernliege und seine Weiterarbeit an diesem Film auch künftig von diesem Gedanken getragen werde.
3. Die Kirchen ihrerseits sehen bis zur Fertigstellung dieses Films von einer Beeinflussung der Öffentlichkeit ab.
Alle Beteiligten sind sich einig in dem Wunsch, an einem gesunden Aufbau des neuen deutschen Filmwesens mit allen Kräften zusammenzuwirken.«
Soweit die Skandalgeschichte dieses Films. Im übrigen ist es sehr amüsant, ihn zu sehen.       we
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Liebe, Brot und Eifersucht Pane, amore e gelosia
Produktion: Titanus-Rom, 1954/55; Verleih: Union; Regie: Luigi Comencini; Buch: E. M. Margadonna, Luigi Comencini, Vincenzo Talarico; Kamera: Carlo Montuori; Musik: Ed. Musicali Redi; Darsteller: Gina Lollobrigida, Vittorio de Sica, Roberto Risso, Marisa Merlini.
Dies ist die ebenso spannende wie amüsante Fortsetzung jener Dorfgeschichte, deren erster Teil »Liebe, Brot und Phantasie« bereits ein Erfolg war.
Zwei Verlobungen bilden den Ausgangspunkt: Maria de Ritis, die den Spitznamen »Bersagliera« trägt, verlobt sich mit dem schüchternen, aber sympathischen Karabiniere Pietro Stelluti, während sich dessen Chef, Antonio Carotenuti, Kommandant der Karabinieri, mit der Bezirkshebamme, Fräulein Annarella Mirziano, verlobt hat. Auf das junge Glück fällt insofern ein Schatten, als Stelluti laut Dienstvorschrift den Heimatort seiner Braut verlassen muss und versetzt wird. Böse Zungen tragen ihm zu, dass der Gendarmeriehauptmann trotz seiner grauen Haare und seiner Verlobung mit der Hebamme die Augen nicht von der schönen Maria lassen kann. Als die beiden auf einem dörflichen Fest miteinander schäkern, platzt die Bombe. Blind vor Eifersucht verleumdet Annarella die Bersagliera vor allen Leuten. Auch der gerade auf Urlaub befindliche Stelluti glaubt diesen Anschuldigungen, und schon sind die Verlobungen wieder gelöst. Zwar versucht Carotenuti die Sache mit Annarella wieder einzurenken, aber zu der Hebamme kehrt plötzlich der Vater ihres unehelichen Kindes zurück, und nach langen Gewissenskämpfen, unterstützt von der Kirche, entscheidet sie sich für den Vater ihres Kindes.
Bei der Bersagliera ist es so einfach. Sie ist fest entschlossen, etwas Ungeheuerliches zu tun und als Tänzerin bei einem Wanderzirkus aufzutreten. Doch da gebraucht der Regisseur Comencini ein richtiges kleines Erdbeben, um die Bersagliera an die Brust ihres rundköpfigen Karabiniere und die Geschichte irgendwie zu Ende zu bringen, übrig bleibt eigentlich nur der schöne Marechallo, der aber auf die neue hübsche Dorfhebamme trifft, deren Anblick ihn sogleich wieder hoffen lässt _...
Bei jeder Fortsetzung eines Erfolgsfilmes ergibt sich die Frage, ob es gelang, Neues zu einem einmal abgeschlossenen Spiel zu sagen, oder ob es nichts weiter würde als eine ärgerliche geschäftliche Spekulation. Für diesen Film treffen solch harte Vorwürfe kaum zu, dank seiner ausgezeichneten Besetzung sowie seines Regisseurs, der seine Darsteller in bemerkenswert ungezwungener Regie agieren liess. Gina Lollobrigida, in der Grazie ihrer Lumpen ihre Armut verbergend und mit ihrem Humor, ist die glutäugige, temperamentvolle Wildkatze geblieben. Sie wandelt das ernsthaft Menschliche, bisweilen sogar die soziale Anklage in die Heiterkeit. Vittorio de Sica hat hier wieder Gelegenheit, seine Fähigkeiten geniesserisch auszuspielen. Der gespreizte Gang des dörflichen Kommandanten und »Möchtegern-Don-Juan«, seine Siegesgewissheit - manchmal leidet er sogar ein bisschen, was ihm besonders gut steht - und seine Eitelkeit, die das beginnende Alter mit forschen Expanderübungen zu bekämpfen sucht - das alles schüttelt de Sica mit köstlicher Selbstironie aus dem Ärmel.
Die herzhaft streitsüchtigen, aus purem Temperament giftsprühenden und dann ebenso schnell wieder versöhnlichen Bewohner des kleinen italienischen Bergnestes bilden den äusseren Rahmen dieser Komödie, worin die Kamera versteckt und mit Ironie die leidenschaftlich verspielte Naivität des Südens einfing. -ich
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Berlin - Alexanderplatz
Produktion: Allianz-Tonfilm, Deutschland, 1931; Regie: Phil Jutzi; Buch: Alfred Döblin und Hans. Wilhelm, nach dem gleichnamigen Roman von Alfred Döblin; Kamera: Erich Giese; Musik: Allan Gray; Darsteller: Heinrich George, Maria Bard, Margarete Schlegel, Bernhard Minetti, Gerhard Bienert, Albert Florath.
Aus dem Dunkel des Gefängnisses tritt ein kleiner, untersetzter Mann: Franz Biberkopf. Der Lärm der Strasse, die vielen Menschen beunruhigen ihn, der an die Stille seiner Zelle gewöhnt ist. Er beginnt ein neues Leben als Strassenhändler und ist in diesem Dasein mit seiner Freundin vollkommen glücklich. Doch eines Tages kehrt die Vergangenheit in der Gestalt des blassen und schmächtigen Reinhold zurück, der Biberkopf auf eine Diebestour mitnimmt. Als er, sich verzweifelnd an seine Ehrlichkeit klammernd, den Verbrechern zu lästig wird, stösst man ihn aus dem Auto. Nach Monaten kehrt er einarmig an den Alexanderplatz zurück, ein verbitterter Mensch, der die Hoffnung aufgegeben hat, ehrlich bleiben zu können. Jetzt will er Verbrecher sein. Und dank der vielen gut organisierten Einbrüche, die er mit Reinhold und dessen Genossen ausführt, kann er mit seiner neuen Freundin Mieze im Wohlstand leben. Aber der Frieden dauert nicht lange. Reinhold verlockt Mieze zu einer Vergnügungsfahrt in den Grunewald. Dort wird er zudringlich und tötet das Mädchen. Biberkopf hat jetzt nur noch einen Wunsch: Reinhold zu töten. Doch dieser wird rechtzeitig von der Polizei verhaftet, und Biberkopf wird wieder Strassenhändler auf dem Alexanderplatz. Hier blendet die Kamera aus und lässt den Betrachter im unklaren, was mit Franz Biberkopf weiter geschieht. Alfred Döblins grosser Roman, der gegen Ende der zwanziger Jahre die Berliner Literatenzirkel faszinierte, zeichnet sich durch eine expressionistische Sprache aus. Döblin nimmt in seine Geschichte vom proletarischen Hiob Franz Biberkopf Geräusche, Reflektionen - Gesehenes mischt sich mit Erdachtem -, kurz alles durch menschliche Sinne Erfahrbare hinein. So entsteht die Komplexität eines Ereignisses: Das kleine Leben des Franz Biberkopf wird in das grosse Leben der Stadt, symbolisiert durch den Alexanderplatz, integriert.
Dem Regisseur gelang es, den Döblinschen Romanstil ins Filmische zu übertragen. Eine von Ruttmans Berlinfilm inspirierte Kamera leuchtet in schönen Fahrten, aus den seltsamsten Blickwinkeln heraus, die Welt Franz Biberkopfs aus. Verbunden mit einem ausgezeichneten Ton - man schwelgt förmlich in Geräuschen, besessen, alle Möglichkeiten des neuen Tonfilms auszuprobieren - entsteht so vor dem Zuschauer die blendende Kulisse des Berlin der zwanziger Jahre, in der Heinrich George als Franz Biberkopf glänzend agiert. Das Schicksal des Franz Biberkopf, der sich »vom potentiellen Mörder zum erwachsenen, sich seiner Verantwortung halb bewussten Manne« wandelt (Kracauer), besitzt für uns die Beispielhaftigkeit eines grossen Ereignisses, weil der Mensch, hier auf sich gestellt, die Wandlung aus eigener Kraft vollzieht. Kracauer sieht hier eine Absage an das nationalsozialistische Führerprinzip, eine etwas enge Interpretation. Biberkopf steht immer wieder auf. Warum? »Weil er das Herz auf dem rechten Fleck hat.« (Döblin)       wv
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Der 14. Juli
Produktion: Frankreich, 1933; Regie: René Clair; Darsteller: Annabella, Georges Rigaud, Raymond Cordy.
Als René Clair vor einigen Jahren mit seinem Film »Porte des Lilas« einen grossen internationalen Erfolg errang, da schrieben alle Kritiker begeistert, das sei wieder ein echter Clair, der Clair des »Sous les toits de Paris« und des »Quatorze Juillet«.

In der Tat waren es vor allem diese beiden Filme, die Clair zu seinem Ruf als Filmregisseur verhalfen. In beiden Filmen verstand er es meisterhaft, die Atmosphäre der Pariser Vorstadt einzufangen, die Welt des Bai Musette, der volkstümlichen Chansons und all dessen, was man den Zauber von Paris nennt.
Im »Quatorze Juillet« schildert Clair den französischen Nationalfeiertag in seiner ganzen Turbulenz und lärmfreudigen Ausgelassenheit und eine Reihe von wichtigen und unwichtigen Ereignissen, die am Rande dieses Feiertages geschehen. Zentralfigur dieser Ereignisse ist ein armes Blumenmädchen, schlicht und überzeugend dargestellt durch die zauberhafte »Annabella«.
Was den Clairschen Filmen dieser Epoche ihren fremdartigen Glanz verleiht, ist vor allem der zarte Impressionismus, mit dem Clair seine Filme in Szene setzt. Während die Stummfilmimpressionisten vor allem durch stark bewegte Aussenaufnahmen und rasche Schnitte einen impressionistischen Effekt erzielten, zwang die schwerfällige Atelierkamera, die durch den Ton noch schwerfälliger wurde, zu anderen Mitteln. Clairs Architekt, Lazare Meerson, schuf durch seine ausgezeichneten Dekorationen ein ständig bewegtes, dynamisches Licht, ein helligkeitsumflossenes Grau in Grau.
Aber nicht nur zarte Töne versteht Clair anzuschlagen. Durch sein ganzes Werk hindurch kann man seine Liebe zur klassischen Filmburleske verfolgen. Und so erlebt man auch am »14. Juli« Szenen voll besten Klamauks.       we
Anm. d. Red.: In diesen Wochen ist René Clair als der erste Filmmann in das ehrwürdige Kollegium der vierzig »Unsterblichen« aufgenommen worden. Das bedeutet, dass die Akademie heute - was noch vor 25 Jahren unmöglich gewesen wäre - den Film schlechthin ohne alle literarische Gewandung akzeptiert als eine Form des Ausdrucks, mit der Dichter in Bildern für unsere Zeit schöpferisch zu wirken vermögen.

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Napoleon ist an allem schuld
Produktion: Gerhard Stab; Tobis-Filmkunst, Berlin 1938; Regie: Curt Goetz; Buch: Curt Goetz und Peter Gillmann; Kamera: Friedl Behm-Grund; Musik: Franz Grothe; Darsteller: Curt Goetz, Valerie von Martens, Paul Henckels, Else von Möllendorf, Kirsten Heiberg, Max Gülstorff, Maria Krahn.
»Voila - un homme!« Ob dieser Ausspruch Napoleons über Goethe »welch ein Mensch« oder »welch ein Mann« bedeutet, ist ein wesentlicher Punkt des Kongresses tiefgründiger Napoleon-Forscher in Paris. Er ist fast genauso wichtig wie der Punkt, der versehentlich hinter das N der Abkürzung Napoleons geriet. Die Handlung spielt sich hauptsächlich im Dialog ab, den Curt Goetz mit zahlreichen Pointen würzte, die sich wohltuend von den hölzernen und hochtrabenden Dialogen anderer Filme abheben.
Die Tücken des Zufalls, die dem schrulligen Lord Cavershott, einem Revuegirl oder selbst dem gewaltigen Napoleon zu schaffen machen, werden mit Humor oder auch mit liebenswürdiger Bosheit überwunden. Menschliche Schwächen werden unbarmherzig mit treffsicherem Humor glossiert, wobei man ohne den bitteren Beigeschmack, den man bisweilen von anderen Unterhaltungsfilmen gewohnt ist, lachen kann.
Während in den neueren Filmen von Curt Goetz (Frauenarzt Dr. Prätorius, Das Haus in Montevideo, Hokuspokus) der Humor hintergründiger ist und mehr in den handelnden Personen liegt, steht hier die Pointe um der Pointe willen.
Emil Jannings, der die Tobis künstlerisch betreute, gewann den Dichter, Regisseur, Schauspieler und Theaterdirektor Curt Goetz für den Film. Dass nun dessen erster Film mehr durch geschliffenen Dialog als durch Kamera und Schnitt besticht, ist deshalb nicht verwunderlich.       mut
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Rückschau

Das Filmstudio zeigte im Sommersemester 1960 im ausserordentlichen Programm mit Erlaubnis der Veranstalter der »Asiatischen Woche« und der betreffenden Botschaften die Filme:

Tscholpon (Kirgisische Republik) und


Romance Papa (Südkorea).
Der erste ist ein Ballettfilm, dessen Inszenierung man die Schulung am klassischen russischen Ballett ansieht. Hinreissend getanzt sowohl vom Corps de ballet als auch von den Solotänzern, erzählt er eine kirgisische Sage.
Der zweite Film wurde auf den Internationalen Asiatischen Filmfestspielen 1960 in Tokio mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Im Stil an den der italienischen Filmkomödie erinnernd, führt er uns in die Welt einer koreanischen Familie.

Das Neujahrsopfer ist ein Film aus Rotchina, der während der »Asiatischen Woche« nicht gezeigt werden durfte.
Er nimmt den Aberglauben, dass eine verwitwete Frau Unglück mit sich führe, zum Anlass, das feudalistische System scharf anzugreifen. Im grossen ganzen auch für uns annehmbar mit Ausnahme der Art und Weise, in der die Religion als gleichbedeutend mit dem überlieferten Aberglauben abgetan wird.

Von ganz anderer Art war ein Film, der aus Indien zu uns kam: Mangala, der erste in Indien hergestellte Technicolorfilm, ist ein auf Masseneinwirkung berechnetes Pan-Optikum, das die ganze Skala westlicher Einflüsse aufweist und von »indischer Kunst« bis zum »indischen Kitsch« reicht.

Was wir von den als »petite vague« angekündigten Filmen junger Münchener Regisseure sahen, reicht bestenfalls zu einem leichten Kräuseln auf der Oberfläche westdeutscher Filmuntiefen. Dadaistisch anmutende formalistische Spielereien können nicht den Mangel an schöpferischer Kraft wettmachen.

»City Lights«. In diesem Stummfilm mit Chaplin wird die Wende von Charlie Chaplin zu Charles S. Chaplin vollzogen. Am Schluss wird das besonders deutlich: der arme Tramp steht - zum ersten Male - nicht mehr wie früher allein.

»Zehn Tage, die die Welt erschütterten« von Eisenstein zeigt uns in dokumentarfilmähnlichen Aufnahmen den Oktoberaufstand 1917. Die Schnittechnik ist dabei schon fast zur Schablone geworden; nur selten bricht noch die Vehemenz durch, die ursprünglich in ihr lag.
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