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Vorwort       Filmdaten bis 1920       Filmdaten ab 1920       Filmdaten noch nicht hier       Nicht-Filmdaten

Quellen zur Filmgeschichte ab 1920

Texte der Hefte des studentischen Filmclubs der Uni Frankfurt/Main: Filmstudio

Einführungsseite

Filmstudio Heft 23, November-Februar 1957/58

Inhalt
Erich von Stroheim 1885 - 1957
Sacha Guitry 1886-1957
Ist Film nur Ware?
Film-Seminar
Apropos _...
Ohne Kommentar _... Zeitungsanzeigen 1957
Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit
La règle du jeu (Spielregel)
Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B.
Treffpunkt Moskau (Top secret)
Le Puritain (Der Puritaner)
Vorhang auf! (The Band Wagon)
Durst (Törst)
La bète humaine (Bestie Mensch)
Die Schönen der Nacht (Les Belles-de-nuit)
Küss mich, Kätchen!
Toni
Der Bäcker von Valorgue
Fernruf aus Chicago
Stadt der Illusionen (The Bad and the Beautiful)


Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges, in manchen Fällen schon seit längerem, ist in Deutschland eine lebendige und kräftige Jugendfilmarbeit im Werden. Die jungen Menschen gehen nicht nur in Massen ins Kino, in zunehmendem Mass wird bei einem Teil von ihnen ein Bedürfnis spürbar, sich mit dem Phänomen Film gründlich auseinanderzusetzen, gesehene Filme gemeinsam zu besprechen, sich über die Entstehung, die künstlerische Gestaltung und zahlreiche andere Fragen des Films zu orientieren. Diese günstige Situation ist jedoch allein nicht ausreichend. Vorläufig fehlt es noch an der nötigen Zahl von Erwachsenen oder älteren Jugendlichen, die von den vielseitigen und nicht selten sehr differenzierten Fragen des Films genügend verstehen, um die Wünsche und Bedürfnisse der jungen Kinobesucher in jugendnaher Weise befriedigen zu können, und es fehlt ebensosehr an geeigneten Lehrmitteln.       Professor M. Keilhacker


Irgendwo in Berlin Ein Besuch bei Gerhard Lamprecht

Berlin-Friedenau, von der Bundesallee links ab, die Stubenrauchstrasse. Eine stille Strasse, ab vom geschäftlichen Leben der Grossstadt und doch nahe dem Zentrum. Mein Besuch gilt einem Altmeister des deutschen Films - Gerhard Lamprecht, dem Schöpfer von Heinrich-George- und Hans-Albers-Filmen, der "Barcarole" und des Diesel-Filmes. Sein bisher letzter Film: "Oberwachtmeister Borck".

In seinem Arbeitszimmer sitze ich ihm gegenüber, ein Zimmer dem jede Extravaganz fehlt, wie sie von Illustrierten Filmregisseuren gerne angedichtet wird. Schnell kommen wir auf die Probleme des Films zu sprechen, das heute so gewaltig angewachsene Mitspracherecht der Verleihfirmen, die Bundesbürgschaften und ähnliche Dinge.

Doch dann erzählt Lamprecht von seiner jahrzehntelangen Arbeit für den Film. Erinnerungen werden wach an die Gründung Babelsbergs durch Guido Seeber, an Paul Davidson, jenen Mann, dem zuerst der Titel eines "Generaldirektors" in der Filmbranche zuerkannt werden kann und dem die Welt Stars wie Ernst Lubitsch und Pola Negri verdankt. Lamprecht erzählt von der Friedrichstrasse. Dort, wo heute fast nur noch Schutt und Trümmer zu sehen ist, dort war einst der kaufmännische und auch der künstlerische Mittelpunkt des deutschen Films. Dort hatten Männer wie Messter im Jahre 1896 die ersten Dachateliers eingerichtet, dort war die sogenannte "Börse der Statisterie". Es gab wohl kein Haus in der Friedrichstrasse, in dem nicht irgendeine Filmfirma sass. 1917 waren es 250 Firmen.

Nur wenigen ist bekannt, dass Gerhard Lamprecht bereits zu Stummfilmzeiten einen Fridericus-Rex-Film mit Otto Gebühr gedreht hat, jenem Schauspieler, dem er nach dem Kriege noch einmal eine Chargenrolle in seinem Film "Meines Vaters Pferde" gab, eine Rolle, die Gebühr, schon vom Tode gezeichnet, noch wunderbar gab.

Über die Zeit von 1933-1945 sagt Lamprecht nicht viel. Schon am 2.5.1933 wird sein "Zwischen Nacht und Morgen" von Goebbels verboten, nachdem der Film schon zwei Jahre lang in Deutschland gelaufen ist. Auch sein Film "Spione am Werk" fällt der Zensur zum Opfer (9.10.1935). Doch Lamprecht arbeitet weiter. Jedes Jahr ein bis zwei Filme. In diese Zeit fallen Filme wie "Der schwarze Husar", "Prinzessin Turandot" und "Einmal eine grosse Dame sein", der erst kürzlich neu verfilmt wurde. Bei Einmarsch der Amerikaner ist Gerhard Lamprecht in Würzburg, wo er mit Luise Ullrich "Kamerad Hedwig" dreht. Es fehlen noch zehn Drehtage. - Der Film ist nie fertig geworden.

Der dritte deutsche Nachkriegsfilm stammt bereits wieder von Lamprecht: "Irgendwo in Berlin", ein Heimkehrerschicksal um einen Garagenbau. Aus dem Filmleben ist der Name Gerhard Lamprecht nicht mehr wegzudenken. Jede Filmgeschichte nennt ihn. Ich glaube, dass dieser Mann dem deutschen Film noch etwas geben könnte. Die Aufgabe müsste nur gross genug sein.       Wolfgang Baecker
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Erich von Stroheim 1885 - 1957 in memoriam

Stroheim, Griffith, Chaplin waren das grosse Triumvirat des amerikanischen Stummfilms, so schreibt "Sight and Sound". Vor nicht allzulanger Zeit entblödeten sich einige deutsche Illustrierten-Schreiberlinge nicht, Erich von Stroheim zu diffamieren, indem sie seine Darstellungen von deutschen Offizieren in ausländischen Filmen als mit dem deutschen Wesen unvereinbar bezeichneten.

Um Stroheim vor solchen Schmierfinken zu bewahren, sei mitgeteilt, dass er Österreicher war. Am 22. 9. 1885 in Wien geboren, absolvierte er dort die Militärakademie und wurde dann Schriftsteller und Journalist. Nach Amerika ausgewandert, war er dort Offizier, Bühnenautor, Bahnhofsvorstand, Redakteur, Binnenschiffer, Buchverkäufer, Mitglied einer Zirkustruppe, Berichterstatter. In dem engen Kontakt, den er hier mit den verschiedensten Bevölkerungsschichten pflegte, ist wohl der Keim für die Gestaltung seiner epochemachenden Filme zu suchen.

Mit dem Film kam er 1914 in Berührung. Kriegsfilme waren populär, und bald war er wegen seiner preussischen Erscheinung und seines Wissens um die Verhältnisse in Europa nicht mehr aus den Ateliers wegzudenken. Bei Griffith lernte er, was Regiearbeit ist, und fungierte als Assistent bei INTOLERANCE (1916). Im Frieden stand er plötzlich ohne Arbeit da. Kriegsfilme waren nicht mehr gefragt und preussische Uniformen auch nicht.

Aber es gelang ihm, den Präsidenten der unbedeutenden Universal, Carl Laemmle, zu überreden, ihm die Regie eines Filmes anzuvertrauen. Mit BLIND HUSBANDS (1919) begann eine Regisseur-Karriere, die ohne Beispiel dasteht. Eine kleine Firma, das war die Universal damals, wurde durch die finanziellen Erfolge von drei Filmen v. Stroheims in den auserwählten Kreis der grossen Produktionsgemeinschaften aufgenommen. Aber nun begann die Tragik v. Stroheims. Der Erfolg sagte ihm, dass er auf dem richtigen Wege sei, und er wollte nun die Vorstellungen, die er von einem echten Film hatte, in die Tat umsetzen. Er war ein kritischer Realist. Er wollte die Realität in seinen Filmen um jeden Preis darstellen (in den Augen der Produzenten meist um den Preis längerer Drehzeiten und höherer Dekorationskosten, denn Attrappen genügten v. Stroheim nicht). Er war ein Fanatiker des Details und an einer Einstellung konnte er tagelang herumprobieren, bis sie seinen Wünschen entsprach. Dies konnten die Finanzleute nicht mit ansehen.

Sie hielten ihm vor, dass er das Geld verschwenden würde, jenes Geld, das er ihnen erst verdiente und das sie natürlich behalten wollten. Ausserdem begannen sie Angst vor seinen Themen zu bekommen. Als sie noch klein waren, war ihnen jedes Thema recht, auch ein sozialkritisches, aber jetzt, wo sie oben sassen, wandte man sich schockiert von den "heissen Eisen" und der realistischen Darstellung ab. Man entliess v. Stroheim und ein anderer Regisseur führte MERRY-GO-ROUND (1923) zu Ende. Noch zweimal sollte ihm das Glück hold sein und dann auf immer verlassen. Die MGM, die nach einem gerade noch verhinderten Bankrott neidisch auf den märchenhaften Aufstieg der Universal schielte, probierte das "Rezept v. Stroheim" noch einmal - sie wollte sich sanieren und er sollte ein Kunstwerk schaffen - und er schuf GREED (1923). Die Geschichte eines reinen, jungen Mädchens, das, vom Geiz besessen, zu einem heruntergekommenen Nervenbündel wird. GREED ist ein Film, in dem alle Mittel, die der Film hat, um realistisch und objektiv zu sein - er wirkt in weiten Passagen wie ein Dokumentarfilm -, um Entwicklungen von Charakteren zu zeigen, um Kontraste, Ironie, Tragik sichtbar zu machen, kompromisslos angewendet werden. Der Film wurde 10 Stunden lang. Heute wird er mit 3 Stunden gezeigt. Sein nächster Film THE MERRY WIDOW (1925) brachte der MGM endlich den Erfolg. 4 Millionen Dollar Reingewinn. Das war das Signal, um zum Rückzug zu blasen. Man entliess v. Stroheim, denn man war saniert.

Nun war die Reihe an der Paramount, v. Stroheim auszunutzen. Er begann THE WEDDING MARCH (1928). Aber während der Dreharbeiten wurden Geschichten über ihn in Umlauf gesetzt, die alle in dem einen Satz gipfelten "Selber hat er kein Geld, aber fremdes wirft er zum Fenster hinaus. Er riskiert ja nichts". Trotz seiner künstlerisch wertvollen Filme zeigte man mit Fingern auf ihn. Man boykottierte ihn auch wegen seines Stolzes, und so liess v. Stroheim, verbittert und gedemütigt, sein Werk unvollendet, (v. Sternberg besorgte den Schnitt!). Er wollte kein Regisseur mehr sein. Aber Geldnot zwang ihn, sich bei der Fox zu verdingen, WALKING DOWN BROADWAY. Aber auch hier wurde er vor der Fertigstellung entlassen, weil der Direktor, der ihn engagierte, selbst gehen musste. Er gab es auf, Regie zu führen, und beschränkte sich auf die Darstellung der mannigfachsten Filmrollen in Frankreich und Amerika.

So vollendete sich innerhalb eines Jahrzehnts ein tragisches Schicksal, das einen der grössten Filmregisseure zu einem Ausgestossenen gemacht hat. Er scheiterte an seiner eigenen Grösse, an der Profitgier der Finanzleute, an seiner Wahrheitsliebe, an seinem Dämon, an seinem Genie. Sein Leben lang hatte er mit Geldsorgen zu kämpfen und auch in allen seinen Filmen zeigt er die Gestalten stets in einem aussichtslosen Kampf mit Gott Mammon; dem er auch unterlag.

Kein Zitat kann das Schöpferische v. Stroheims besser kennzeichnen, als das folgende von Lewis Jakobs in "The Rise of the American Film": He demanded that everything be provided for to the smallest detail so that he could proceed confidently. If he had all the details of a scene at hand, he felt free to eliminate and select. This was his virtue and his failing, his strength and his weakness; he lived by it and he fell because of it.       Günter P. Schölzel

Seine Filmwerke:
Als Regisseur
1916: Intolerance (Assistenz)
1918: Hearts of the world (Assistenz)
1919: Blind Husbands
1919: The Devil's
1919: Passkey (und Darsteller)
1922: Foolish wives
1923: Merry-go-round
1924: Greed
1925: The merry widow
1926: Wahl unter die 10 besten Regisseure und Mitglied der Academy of Motives Pictures Arts and Sciences.
1928: The wedding march (und Darsteller)
1929: Honeymoon
1930: Queen Kelly

Als Darsteller
1929: The great Gabbo
1930: Three Faces east
1931: Friends and lovers
1932: Lost squadron
1933: As you desire me
1934: House of strangers
1934: Invincible
1935: The devil doll (Buchmitarbeit)
1937: Between two women (Story)
1937: La grande illusion
1937: Mademoiselle Docteur
1938: L' affaire Lafarge
1938: L' alibi
1939: Pièges
1939: Les disparus de Saint-Agil
1939: Derrière la façade, Gibraltar
1939: Le monde tremblera
1939: La grande desillusion
1940: Ultimatum, I was an adventuress
1941: So ends our night
1941: Personalcolumm
1943: Five graves to Cairo
1944: The north star
1944: Macao - l' enfer du jeu
1950: Sunset Boulevard
und anderen mehr, die ohne Bedeutung sind.
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Sacha Guitry 1886-1957 in memoriam

Er war keiner von den grossen, sagten die Film- und Theaterkritiker, und doch waren die Theater und Kinos, in denen man seine Stücke spielte, ausverkauft.

Er wurde am 21. Februar 1886 in St. Petersburg geboren, und für ihn gab es nur eine Stadt - Paris. Hätte sie nicht schon Jahrhunderte bestanden, sie hätte für ihn erfunden werden müssen. Nach dem alten Wort "Willst Du Erfolg, musst Du ein Genie oder freundlich zu den Menschen sein", wählte er in kritischer Abschätzung seiner Person das letztere. Er teilte Charme nach allen Seiten aus, machte galante Verbeugungen, plauderte unverbindlich, war aber immer bedacht, seine Person im Mittelpunkt des Geschehens zu sehen. Er hatte eine unbändige Lust zu leben, und zwar - gut zu leben. Und daher musste er immer auf dem Kamm der Erfolgswelle und der Publikumsmeinung stehen; im Tal, - das wusste er nur zu gut-, wäre er schnell vergessen worden. Und so nahm er sich liebevoll der unzähligen Episoden der französischen Geschichte an, die jeder vom Hörensagen kannte - doch keiner war dabei gewesen und wusste es genau -, und seiner Phantasie waren keine Grenzen gesetzt. Er schneiderte sie nach seinem Mass und er machte glauben, die Geschichte sei nur für ihn abgelaufen, für ihn, den charmanten Arrangeur, der mit leichter Hand die Figuren sterben, sich vermehren, lieben oder streiten liess. Er hatte den Mut, über sich selbst zu lachen, und deshalb nahm er den Parisern auch das Bonmot nicht übel, mit dem es seine Stücke charakterisierte: Sie sind schlecht, aber sie gefallen! Obwohl er stets die Hauptrolle in seinen Filmen spielte und nach Herzenslust reden konnte, war ihm das immer noch nicht genug. Er erfand etwas Neues für den Film: die Rolle des Kommentators. Zwischen den einzelnen Akten wurde das Geschehen von ihm kommentiert; meist erzählte er dabei den Inhalt des nächsten Aktes, oder er variierte den abgelaufenen. Er war ein Kommödiant, wie es nur wenige in einem Jahrhundert gibt. Er hielt die Welt für ein Theater, sein Theater, und so sind auch seine Filme, verfilmtes Theater, obwohl er die filmischen Ausdrucksmittel zu nutzen verstand, wenn er es für richtig hielt. Er beherrschte mit vollendeter Meisterschaft die Anwendung der Ironie als Gestaltungsmittel. Ironie war der Kitt, der seine netten Ungereimtheiten zusammenhielt. Er war ein Sammler von alten Reliquien und jungen Frauen. Fünfmal war er verheiratet; zu seiner letzten Frau sagte er: "Deine Vorgängerinnen waren meine Frauen, Du wirst meine Witwe sein". Er schrieb über 170 Theaterstücke und inszenierte 37 Filme. Eine Arbeit, die einen anderen frühzeitig ins Grab gebracht hätte, die er aber dank seiner unverbrauchten Natur mit einem Lächeln absolvierte. Ein Lächeln, das gottergeben, spöttisch, zärtlich, ironisch, klug zugleich war, und das er gewiss aufgesetzt hat, als es ans Sterben ging, und er, wie die Legende berichtet, nachdem er kunstvoll eine Locke auf seinem Haar zurechtgewiesen hatte, mit den Worten die Augen schloss: "Vorsicht, mein letzter grosser Auftritt!"       Günter P. Schölzel

Seine Filmwerke:
1935: Le roman d' un tricheur
1937: Les perles de la couronne
1938: En remontant les Champs-Elysées
1938: Mon père avait raison
1938: Désiré
1938: Quadrille
1939: Ils étaient neuf célibataires
1940: Lucky partners
1942: Le destin fabuleux de Desirée Clary
1943: Donne-moi tes yeux
1943: La Malibran
1948: Le diable boiteux
1953: Si Versailles m' était conté
1954: Napoleon
1956: Paris (von ihm nicht vollendet, vom Regieassistenten zu Ende geführt)
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Ist Film nur Ware?

Zwei Tatsachen haben mich zur Niederschrift dieser Zeilen veranlasst. Wahrscheinlich ist es aber im Grunde nur eine Tatsache, denn ein funktionaler Zusammenhang verbindet die beiden:

1. Nach Feststellung eines belgischen Komitees gibt es nur etwa 50 wirklich gute Filme auf der Welt.

2. Der Programmausschuss des Filmstudio steht zu Beginn eines jeden neuen Semesters vor dem Problem. Filme zu bekommen, die einigermassen Niveau haben.

Einer der Gründe, die zur Errichtung des Filmstudio an der Universität führten, war, den guten Film zu fördern. Seit sechs Jahren haben wir dieses Vorhaben schlecht und recht verwirklicht. Aber langsam ist das Feld "abgegrast". Zum Vorschein kommt darunter das Alltagsangebot an Plattitüden und "Kaiserschmarren" (Titel stelle ich zur Verfügung!). Zwar wissen wir, dass der Student Dünnbrettbohrer aus dem Regierungsbezirk Kassel mit seinem Frankfurter Bratkartoffelverhältnis Maria Lieblich nur in die Vorstellungen des Filmstudio kommt, um zwei Stunden lang im Dunkeln Händchen halten zu können. Wegen all' der anderen, die aber sonst noch kommen, ist das für uns noch lange kein Grund, deshalb eine Romy-Schneider-Reihe zu starten. Ja, man kann ohne Übertreibung sagen, der Mangel an guten Filmen hat unseren Programmausschuss reger werden lassen, als er es vor einigen Jahren war, da er noch "aus dem Vollen" schöpfte. Manchmal aber steht dieser Ausschuss resigniert vor dem Posteingang eines einzigen Tages. Hier eine (nicht vollzählige) Liste der Absagegründe für eine Filmterminierung durch uns:

(In Klammern Filmbeispiele für die jeweiligen Gruppen)
1. Film ist noch im gewerblichen Verleih. (Hoffmanns Erzählungen)
2. Film ist nicht mehr im gewerblichen Verleih, aber
 a) Lizenz ist abgelaufen. (Goldrausch)
 b) Film befindet sich nicht mehr in Deutschland. (Beggar's Opera)
 c) Film wird neu gedreht, alter Film darf nicht mehr laufen. (Der blaue Engel)
3. Film ist für Deutschland nicht freigegeben. (Turksib).

Genau so, wie man die Frage stellen kann, ob diese Absagegründe sein müssen (vor allem die der Gruppe 2 und 3), kann man die Frage stellen, ob wir als eine Institution mit Filmkunstambitionen, die wir von der "grossen Schuld der Posthaltermizzi" (Bemerkung zum Titel siehe oben) nichts wissen wollen, überhaupt das Recht haben, einen guten Film zu verlangen. Die Statistik jener obengenannten belgischen Untersuchung sagt nämlich weiter, dass die guten Filme nur zu 2 % ihrer Herstellungskosten durch Filmclubs und ähnliche Einrichtungen amortisiert werden. Der Kostenrest bedeutet entweder einen Verlust für die Produktionsfirma oder aber - er wurde doch noch von jenem Publikumsteil hereingebracht, der nun mal ein Faible für Rudolf Prack hat. Auf alle Fälle aber trägt dieses Publikum mehr zur Kostendeckung bei als die Filmclubs. Für wen sollen die Produzenten nun ihre Haut zu Markte tragen? Machen Sie sich das bitte klar, wenn Sie einmal mit unserem Programm nicht zufrieden sein sollten. Wir versuchen, das Beste zu geben.       Wolfgang Baecker
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Film-Seminar

Leitung: Günter P. Schölzel

Hauptthema: Grundbegriffe des Films.

Über dieses Thema ist in den vergangenen Jahren mehrfach referiert worden. Immer aber trat im Laufe der Vorträge eine Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis auf. Um ein Beispiel zu geben: Die Effekte von Einstellungskombinationen in der Montage wurden bisher nur anhand von Skizzen erläutert, und niemand konnte nachprüfen, ob sie auch wirklich auftraten. Film ist aber in erster Linie Bild, und zwar sich bewegendes Bild. Bisher hatte man nur mit Begriffen operiert. Der Gedanke war naheliegend, eine Möglichkeit zu schaffen, diese Begriffe sofort in die Tat umzusetzen und statt vieler Worte - Experimente zu machen.

So entstand die Idee einen Film über den Film, genauer über einige Elemente des Films, zu machen. Drei Hauptprobleme bieten sich von selbst an. Als erstes wären die Einstellungen zu diskutieren. Ein Film steht und fällt mit guten Einstellungen, und das Hauptproblem dürfte der Kampf zwischen Form und Inhalt sein.

Davon überleitend zur Montage, d. h. der Verknüpfung von Einstellungen, mit genauen experimentellen Untersuchungen der Funktionen der einzelnen Einstellungsgattungen.

Und als drittes das äusserst schwierige Problem der Übersetzung und Auflösung eines irgendwie vorgegebenen Sachverhaltes in Bildfolgen. Es ist nicht sicher, dass man im Laufe eines Semesters alles bearbeiten kann.

Vor allem wird es daran liegen, dass Schwierigkeiten in der Praxis auftreten beim Umgang mit der Kamera, Beleuchtung, kurz der "Technik". Diese werden aber rasch beseitigt werden, denn einige alte "Seminaristen" werden bestimmt die dankenswerte Aufgabe übernehmen, jüngeren Kollegen die diversen Tricks beizubringen.

Ich persönlich verspreche mir sehr viel von diesem Experiment, denn in Gesprächen erfuhr ich, dass für Diskussionszwecke eine lebhafte Nachfrage nach Filmen über den Film besteht.

Zweites Programm: Die Analyse von Wochenschauen wird fortgeführt. Lag das Schwergewicht der bisherigen Untersuchung mehr auf der Form, so soll jetzt der Inhalt einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Vor allem dürfte hierbei von Interesse sein, die Struktur über einen längeren Zeitraum zu untersuchen, also zu fixieren, wieviel Prozent Sport, Politik, Modenschau, Katastrophen etc. in den verschiedenen Wochenschauen gebracht werden. Als spezielles Problem wird die Frage nach dem Wahrheitsgehalt einer Wochenschau-Story gegenüber dem Original anfallen.

Drittes Bemühen: Perlen der Filmkunst. Für Cinéasten in Spätvorstellungen. Hier sollen vor allem unbekannte und künstlerisch wertvolle Filme, die schwierig zu beschaffen sind, gezeigt werden.       gps.
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Apropos _...

oder - Was macht der deutsche Verleih mit dem Originaltitel ?

Sie ärgern sich bestimmt oft über die mangelhafte deutsche Synchronisierung - bei aller Anerkennung ihrer durch die Sache bedingten Schwierigkeiten. Aber zu unserem Unglück wird nicht nur der Dialog in unsere Sprache übertragen, sondern auch der Titel bekommt eine deutsche "Fassung". Und wie sieht das dann aus? - Manchmal wird der Originaltitel übernommen, etwa bei "Ladykillers" oder "Paris Palace Hotel", wenn er ohne weiteres zu verstehen ist, oder aus Reklamegründen beibehalten werden muss. Auch Eigennamen könnte man beibehalten - meint wenigstens der unvoreingenommene Kinobesucher. Aber hier fängt bereits die Titelmisere an. So wird aus "El Cerco" bei uns "El Cerco, verrucht und verdammt" und aus "Curucu" wird "Curucu, die Bestie vom Amazonas". An "Attila" wurde "die Geissel Gottes" angehängt und "Scaramouche" erhielt als Ergänzung "der galante Marquis". Am erfindungsreichsten gebärden sich jedoch die deutschen Verleiher, wenn sie aus einem harmlosen Original-Titel einen ganz neuen fabrizieren; dass dabei die Blutrünstigkeit einerseits und die Erotik andererseits gegenüber dem Original oft um erhebliches zunimmt, kennzeichnet einmal von einer anderen Seite die Situation auf dem deutschen Filmmarkt.

Greifen wir aus dem Filmangebot dieses Jahres einiges heraus:

Originaltitel (Originalübersetzung): "Synchronisierter" Titel:
Red Sundown (Roter Sonnenuntergang): Auf der Spur des Todes
Tension at Table Rock (Spannung am Table Rock): Blut an meinen Händen
Illegal (Illegal): Schakale der Unterwelt
While the City Sleeps (Während die Stadt schläft): Die Bestie
Love Me Tender (Liebe mich zärtlich): Pulverdampf und heisse Lieder
Checkpoint (Kontrollstelle): Strasse des Todes
House of Secrets (Das geheimnisvolle Haus): In den Krallen der Gangster
The Brothers Rico (Ricos Brüder): Hyänen der Strasse
Julie (Julie): Mord in den Wolken
The Montain (Der Berg): Berg der Versuchung
Second Chance (Zweite Chance): Mörder ohne Maske
The Joe Louis Story (Die Geschichte von Joe Louis): Der braune Bomber
The Unknown Island (Die unbekannte Insel): Insel des Grauens
Canyon River (Canyon Fluss): Schlucht des Grauens

Genug des Grauens, der Hyänen und der Bestien. Wir wenden uns der Liebe zu:
The Birds and the Bees (Die Vögel und die Bienen): Die falsche Eva
Seawife (Seeweib): Treibgut der Leidenschaft
Without Warning (Ohne Warnung): Achtung! Blondinengangster
Baby Doll (Die Baby-Puppe): Begehre nicht des andern Weib
Alina (Alina): Zwischen Liebe und Laster
Mom and Dad (Mutter und Vater): Falsche Scham
La Garconne (Die Kellnerin): Mein Körper gehört mir
The French Line (Die französische Linie): Lockende Venus       Bl.

Anmerkung der Redaktion: Die Titel sind wahllos herausgegriffen, die Praxis sieht noch schlimmer aus!
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Ohne Kommentar _... Zeitungsanzeigen 1957

"So endete eine Dirne, ein französischer Sittenfilm aus den dirnenwimmelnden Hafengassen Marseilles, Dialoge im gröbsten Rinnsteinjargon." (Lübeck)

"Vier Frauen im Sumpf. Ein Leckerbissen für alle Freunde heisser Filmkunst! Erotisch gepfeffert - kriminalistisch gewürzt. Sex und Sinnlichkeit - Gier und Gewalt." (Hamburg)

"Dieser bestürzend ehrliche Film ersetzt einen Bücherschrank voll Aufklärungsliteratur! Eine dynamitgeladene Symphonie menschlicher Triebhaftigkeit. Ein faszinierender Beitrag zur Frage der käuflichen Liebesbeziehungen! Ein Film, der dem Laster ins Gesicht leuchtet." (Hannover)

"Inferno der Leidenschaften auf einer paradiesischen Südseeinsel. Nach einer Novelle von Somerset Maugham." (Frankfurt)

"Ein Kriminalfilm - brutal wie ein Schlag ins Gesicht - lähmend wie ein Stoss gegen die Brust - fesselnd wie eine schöne Frau - Autodiebe, Bankräuber, Polizisten." (Frankfurt)

"Der weltweite Komplex der Prostitution! Ein Film, der das »Unaussprechliche' ohne Prüderie klar bekennt und mit schonungsloser Offenheit aufzeigt." (Frankfurt)
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Auszug aus dem Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit vom 27. Juli 1957

§ 1
(3) Kind im Sinne dieses Gesetzes ist, wer noch nicht vierzehn, Jugendlicher, wer vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt ist.

§ 6
(1) Die Anwesenheit bei öffentlichen Filmveranstaltungen darf Kindern unter sechs Jahren nicht gestattet werden.
(2) Die Anwesenheit bei öffentlichen Filmveranstaltungen darf gestattet werden
   1. Kindern, die sechs, aber noch nicht zwölf Jahre alt sind, wenn die vorgezeigten Filme zur Vorführung vor Kindern dieses Alters freigegeben sind und die Vorführung bis spätestens 20 Uhr beendet ist.
    2. Kindern und Jugendlichen, die zwölf, aber noch nicht sechzehn Jahre alt sind, wenn die vorgezeigten Filme zur Vorführung vor Kindern und Jugendlichen dieses Alters freigegeben sind und die Vorführung bis spätestens 22 Uhr beendet ist.
    3. Jugendlichen, die sechzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt sind, wenn die vorgezeigten Filme zur Vorführung vor Jugendlichen dieses Alters freigegeben sind und die Vorführung bis spätestens 23 Uhr beendet ist.
(3) Filme, die geeignet sind, die Erziehung von Kindern und Jugendlichen zur leiblichen, seelischen oder gesellschaftlichen Tüchtigkeit zu beeinträchtigen, dürfen nicht zur Vorführung vor diesen freigegeben werden.
(4) Das Recht der Freigabe von Filmen für Kinder und Jugendliche steht der obersten Landesbehörde zu. Sie kennzeichnet die Filme gemäss Absatz 2
    Nr. 1 mit "Freigegeben ab sechs Jahren",
    Nr. 2 mit "Freigegeben ab zwölf Jahren",
    Nr. 3 mit "Freigegeben ab sechzehn Jahren"
und alle übrigen Filme mit "Freigegeben ab achtzehn Jahren".
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für Werbevorspanne und Beiprogramme.

§8
(1) Der Bundesminister des Innern ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Veranstaltungen zu bezeichnen, die ihrer Art nach geeignet sind, auf Kinder und Jugendliche einen verrohenden Einfluss auszuüben.
(2) Kindern und Jugendlichen darf die Anwesenheit bei Veranstaltungen nicht gestattet werden, die in einer auf Grund des Absatzes 1 ergangenen Rechtsverordnung bezeichnet sind.

§10
Veranstalter und Gewerbetreibende haben die nach den §§ 2 bis 9 für ihre Betriebseinrichtungen und Veranstaltungen geltenden Vorschriften in einer deutlich erkennbaren Form bekanntzumachen. Zur Bekanntmachung der Freigabe von Filmen dürfen sie nur die Kennzeichnung des § 6 Abs. 4 Satz 2 verwenden.

§11
Dieses Gesetz gilt nicht für verheiratete Jugendliche.
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Achtung! Achtung!

Am 11.6.1957 wurde vom Bundestag das
Gesetz über den Sicherheitsfilm beschlossen. Danach dürfen nur noch anerkannte Sicherheitsfilme gezeigt werden. Das gesetz tritt mit dem 1.12.1957 in Kraft. Da aber erst vor wenigen Wochen die Verleihfirmen Listen herausgaben, auf denen die unter das Gesetz faööenden Filme verzeichnet sind, wurden unsere Dispositionen für das Wintersemester kurzfristig umgestossen. Das Programm für die Monate Januar/Februar 1958 steht daher erst zu 80 % fest. Das voraussichtliche Programm finden Sie auf [unserem Programmzettel].
Beschwerden wegen Änderungen bitten wir nicht an uns, sondern direkt an den Gesetzgeber zu richten.
Neben unserem Hauptprogramm beabsichtigen wir, im Wintersemester in besonderen Vorstellungen Filme zu zeigen, die zwar wertvoll sind, doch nur wirkliche Cinéasten interessieren werden. Die Spieltermine werden kurzfristig angegeben, da die Filme zum Teil aus dem Ausland kommen.
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La règle du jeu (Spielregel)
Produktion: La Nouvelle Edition Française (1939) (eine Gesellschaft, die von Renoir nur zur Realisation des Films LA REGLE DU JEU gegründet worden war)
Buch u. Regie: Jean Renoir
Kamera: Bachelet; Jacques Lemare
Musik: Roger Desormière
Bauten: Lourie und Douy
Schnitt: Marguerite Renoir
Darsteller:
Robert de La Chesnyest (Dalio)
Christine (Nora Gregor)
Octave (Jean Renoir)
Jurieux (Roland Toutain)
Geneviève de Marras (Mila Parely)
Lisette (Paulette Dubost)
Marceau (Carette)
Schumacher (Gaston Modot)
Le général (Pierre Magnier)
Corneille, le majordome (Eddy Debray)
Saint-Aubin (Pierre Nay)
Mme de la Plante (Odette Talazao)
La Bruyere (Francoer)
Mme de la Bruyere (Claire Gerard)
Le cuisinier (Leon Larive)
La radio-reporter (Lise Elina)
Jacky (Anne Mayen)
Originalfassung
Der Leser wird über das ausführliche Register der Darsteller erstaunt sein, aber es ist notwendig. Ich empfehle allen, die diesen Film begreifen wollen, die Namen (die die Schauspieler in diesem Film tragen) auswendig zu lernen. Anders wird man wohl kaum den turbulenten Verfolgungen und Vertauschungen folgen können.
Renoir sagte bei Beginn der Dreharbeiten: "Ich will ein fröhliches Drama schaffen und meiner Vermutung Ausdruck geben, dass es in der Welt der Bourgeois genauso zugeht wie bei den Arbeitern und Bauern".
Die Auslösung der Handlung geschieht ganz einfach.
Eine Frau ist ihres Gatten überdrüssig, aber sie zögert, ihn zu verlassen, da ihr die Wahl zwischen anderen Männern, die ihr gefallen, schwerfällt. Etwas ähnliches spielt sich auch unter den Dienstboten ab. "Die Spielregel" oder besser "die kleinen Spielregeln" sind die allen Menschen gemeinsamen Leidenschaften; ganz gleich, ob in höheren oder niederen Gesellschaftsschichten. Aber man schafft die Spannungen mit den Fäusten aus der Welt. Dies ist der komische Teil. Und man kann sagen, dass einige Sequenzen mit vollendeter Meisterschaft gestaltet sind. Die Verfolgungsjagden, die von einer entfesselten Kamera eingefangen werden, halten den Vergleich mit den besten Cremetortenschlachten Chaplins aus. Die Tragik kommt erst ins Spiel, wenn sich die beiden Sphären (Herrschaft - Dienerschaft) überschneiden, wenn sich "oben" und "unten" ins Gehege kommen. Hier ist wieder die "Spielregel" verletzt, und zwar "die grosse Spielregel". Jetzt kann man Differenzen nicht mehr mit Prügeleien aus der Welt schaffen, sondern es muss Blut fliessen. Und so geschieht es, nachdem die Dienstboten ihre Herren in allen Nöten beraten und belehrt hatten, dass ein Bedienter seinen Herrn ganz aus Versehen - wie grotesk - erschiesst. Sobald das Gleichgewicht wieder hergestellt ist, kommt die dritte Art der "Spielregel" ins Spiel. Man deckt den Mantel des Schweigens über die Affäre und meldet - nur einen Jagdunfall.
Renoir gelang es wohl, das Typische an den verschiedenen Gesellschaftsschichten durch eine ausgezeichnete Modellierung der Akteure in eine] fast naturalistisch erscheinenden Kulisse herauszuarbeiten, aber er vermochte nicht, die beiden Elemente zu verbinden und einen echten Umschwung vom Spass zur Tragödie zu erreichen. So wurde das Wert uneinheitlich und, obwohl es sein reifstes Werk war, ausgepfiffen.

Renoir hat sich wohl von diesem Schlag nie erholt und produzierte in der Emigration in Amerika und auch nach dem Kriege in Frankreich keine Filme mehr, die über dem Niveau der üblichen kommerzieller Produkte lagen.       gps
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Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B.
Produktion: Defa, 1948
Buch u. Regie: Wolfgang Staudte
Kamera: Friedl Behn-Grund
Bauten: Kurt Herlth
Musik: Herbert Trantow
Darsteller:
Axel von Ambesser; Ilse Petri; Hubert von Meyerinck; ferner: Ruth Lommel; Joachim Teege; Paul Henckels; Aribert Wäscher; Ernst Legal +; Else Ehser; Hans Schwarz jr.; Wolfgang Kühne
Eine Steuererklärung, die 1913 noch von einem Amtmann bearbeitet wurde, wird heute von einem Regierungsrat "verarztet". - Diese Entwicklung will Wolfgang Staudte in diesem Film anprangern. Man sollte es nicht versäumen, sich diesen Film anzusehen, denn es ist ein Film von demselben Staudte, der uns den unvergleichlichen "Untertan" geschenkt hat. Nicht von jenem Staudte, der uns so verworrene Filme wie "Rose Bernd" vorsetzt, in denen das eigentliche Problem, nämlich der Meineid, überhaupt nicht behandelt wird.
Die Probleme sind in "Fridolin B." eigentlich nur "Problemchen", aber sie werden richtig behandelt. Dargestellt wird der Kampf eines B(iedermannes) gegen den Amtsschimmel, jenem der Hydra vergleichbaren Tier, das nicht totzukriegen ist. Aber der Schimmel bringt es seinerseits fertig, unseren Biedermann "totzukriegen". Er ist ein Toter! Das hat ein jeder Beamter zu glauben, denn - - - so steht es im Register. Traurig für die Beamten und traurig für Biedermann - nicht etwa, weil dieser tot ist, sondern weil er lebt. Dieser Lebendige fährt nun als Toter in die grosse Stadt Berlin zu der kleinen Malerin Marlene, mit der er verheiratet ist, die er aber gar nicht g e heiratet hat, weil Biedermann _... Womit wir wieder bei den leidigen Papieren wären, ohne die ein richtiger preussischer Nachkomme nicht auskommt. Ein gutes Auskommen dagegen wollte sich der grosse Unbekannte schaffen, indem er Fridolin B.'s Papiere benutzte. Die Verwicklungen, die hieraus entstehen, schildert der Film mit dem Mut zum Grotesken, dem Mut, die Wahrheit zu sagen. Ein Film mit einem Schuss Kabarett. - - - Das waren noch Zeiten, als Wolfgang Staudte gute Filme drehte!       B. K.
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Treffpunkt Moskau (Top secret)
Produktion: Associated British Picture, 1952
Regie: Mario Zampi
Drehbuch: Jack Davies; Michael Pertwee
Musik: Stanley Black
Darsteller: George Cole; Nadia Gray; Oscar Homolka
1939 drehte man in Hollywood die prachtvolle Filmkomödie "Ninotschka", in der sowjetische Sonderkommissare in Paris den eleganten Reizen der Weltstadt erliegen. Die jüngste Vergangenheit mit ihrem ersten Vorstoss des Menschen in den Weltraum durch den russischen künstlichen Satelliten Sputnik hat uns aber gelehrt, dass derartige Verniedlichungen des russischen Wesens mit Vorsicht zu geniessen sind. Nun zeigen wir einen Film mit ähnlichem Hintergrund, und man wird sich hinterher fragen müssen, ob die Russen hier treffender gezeichnet sind als in dem älteren Film. Man darf jedoch nicht vergessen, dass auch die Herstellung des Filmes "Top secret" immerhin fünf Jahre zurückliegt. Eine andere Frage ist die, ob die Probleme Atomwaffen und Atomspionage nicht eine zu ernste Angelegenheit seien, als dass man sie zu einer mehr oder weniger harmlosen, vergnüglichen Kinounterhaltung machen dürfte, wie es seinerzeit in dem "Daily Express" zu lesen stand. Andererseits ist aber auch nicht einzusehen, warum man nicht einmal die Sorgenfalten über die menschliche Unzulänglichkeit gegenüber dem technischen Fortschritt mit einem Lächeln vertauschen sollte.
Vertauschen - damit sind wir bei dem Film: Der brave Londoner Klempnermeister Georg Potts, der sich Tag und Nacht mit Verbesserungen der WCs (bei uns auch als 00 bekannt) beschäftigt, vertauscht zufällig seine Aktentasche mit sanitären Plänen mit der eines Atomwissenschaftlers, die streng geheime (Top secret!) Pläne einer neuen englischen Atombombe enthält. Ahnungslos fährt Mr. Potts in den Urlaub nach Frankreich, während ganz England ob dieses vermeintlichen Spionagefalls in helle Aufregung gerät. Ein Sowjetagent verfrachtet seinerseits den vermeintlichen Atomwissenschaftler nach reichlichem Alkoholgenuss per Flugzeug nach Moskau, wo sich der erstaunte Klempner von Väterchen Stalin als einen neuen Klaus Fuchs gefeiert sieht. Erst jetzt entdeckt er seinen Irrtum. Was nun geschehen muss, ist jedem Lieschen Müller klar, und der Regisseur versucht auch, die Mühen und Nöten der Flucht mit alten und neuen Gags schmackhaft zu machen. Da fehlt es nicht an Fassadenkletterei à la Harald Lloyd und wogendem Hin und Her an Berlins Sektorengrenzen. Als besonders netter Einfall ist zu verzeichnen, wenn mitten in der Flucht aus einem Kanalschacht die wohlbekannte Zithermusik aus dem "Dritten Mann" herauftönt, worauf der gehetzte Held den eben geöffneten Deckel entsetzt wieder zuschlägt und seinen Fluchtweg über die Dächer nimmt. Das alles ist mit viel Witz und Komik in Szene gesetzt und bereitet, trotz aller gegenteiligen obengenannten Bedenken, zwei kurzweilige, vergnügliche Stunden.       Bl.
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Le Puritain (Der Puritaner)
Produktion: Les Films Derby, Paris (1937)
Regie: Jeff Musso
Buch: Jeff Musso; nach einem Roman von Liam O'Flaherty
Kamera: Court Couraut
Darsteller: Jean-Louis Barrault; Pierre Fresnay; Viviane Romance; Ludmilla Pitoeff; Jean Tissier; Fréhel
Originalfassung mit Untertiteln
Ein psychopathischer Fanatiker ermordet eine Dirne, die er liebt, weil er sie nicht bessern kann, weil er glaubt, durch ein "Blutopfer" die "verfaulte" Gesellschaft wieder reinwaschen zu können. Doch diese Tat wird nicht, wie er hoffte, zum Fanal; denn die beiden grossen Ordnungsmächte Staat und Kirche wie auch alle seine Freunde distanzieren sich von ihm. Einsam irrt er durch die Kneipen der Stadt, verzweifelt gesteht er schliesslich den Mord und wird - nun endgültig vom Irrsinn erfasst - ins Gefängnis eingeliefert.
Eindrucksvoller als die Vorlage, der Roman des Iren Liam O'Flaherty, ist die filmische Gestaltung des Franzosen Musso. Im Helldunkel zahlreicher Nachtaufnahmen entsteht die geheimnisvolle Atmosphäre des Zwielichtig-Schicksalhaften, die düstere Verzweiflung, die stellenweise an Dostojewski erinnert. Erbarmungslos ist die Kamera des grossartigen Couraut. Sie schafft erlesene Bildkunst, vollendete Gegenlichtstimmungen und hauchfeine Luftzeichnungen. Sie rückt die Dinge in ein zwielichtiges Gespinst aus Licht und Nebel. Eben dies verschwebende, die weiche "malerische" Manier verdichtet die Atmosphäre ungewöhnlich. Dies "Lichtspiel" ist die optische Formel für das, was geschieht.
Vor dem Hintergrund dieser sensiblen Atmosphäre - von der empfindsamen, charakteristischen Musik noch vertieft - öffnet sich die irre Seele in Barraults Zügen, die erschüttern und erschaudern macht. In dem klassisch gemeisselten, nervösen Gesicht, in bald kalten, bald hoffnungslos dämmernden Augen, in der verklemmten Gebärde, der fahrigen Hast spielt ein krankes Hirn mit Trümmern der Vernunft, der Einsicht und der Reue. An die Grenzen mimischer Verwandlungskunst führt der Pantomime Barrault, dessen erster Film dies übrigens ist, diese Gestalt. Fast sprengt er den Rahmen des Erträglichen.
Pierre Fresnay steht ihm als Kriminalkommissar gegenüber, der Lächler gegen den Ekstatiker, der Logiker gegen den Phantasten, das Prinzip der Ordnung gegen das Chaos. Zwischen beiden das Element des - verschmierten - Mütterlichen in der mitleidigen Dirne, dargestellt von Viviane Romance.
Göbbels hat seinerzeit den Film, der eine Kampfansage gegen jeglichen Fanatismus darstellt, vorsichtigerweise für Deutschland verboten. In dem Film finden sich allzuviele Parallelen zum Geist und zur Methode des Nationalsozialismus. Der Film ist aber mehr als ein vordergründiges Tendenzstück; äusserlich in die Form einer Kriminalstudie gekleidet, besteht sein Gehalt in der erschütternden Charakterstudie eines Menschen, der auf dem schmalen Grat zwischen Vernunft und Wahnsinn nicht mehr weiss, ob "Gott oder der Teufel" zu ihm spricht, und der schliesslich - halb bewusst - den Zusammenbruch seines Lebens und seiner Weltanschauung erleben muss.       Kavey
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Vorhang auf! (The Band Wagon)
Produktion: MGM (USA 1953)
Regie: Vincente Minnelli
Buch: Betty Comden und Adolph Green
Musik: Howard Dietz und Arthur Schwartz
Darsteller: Fred Astaire; Cyd Charisse; Oscar Levant; Nanette Fabray; Jack Buchanan; James Mitchell; Robert Gist
Dass die Rahmenhandlung eines Revuefilms nicht unbedingt schaudern machen muss, zeigt diese sorgfältig durchgearbeitete Geschichte vom kaltgestellten, alternden Hollywoodtänzer, dessen Rückkehr in den Star-Himmel des Broadways durch die tiefsinnigen Ambitionen eines avantgarde-genialistischen Regisseurs um ein Haar zunichte gemacht wird. Die Auswüchse des Show-Business werden dabei kräftig ironisiert. Die Revueszenen kommen natürlich keineswegs zu kurz. Vor allem eine Tanzparodie auf Kriminalschmöker à la Mickey Spillane gehört zum Besten, das uns der Film auf diesem Gebiet bisher geboten hat.       p.b.
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Durst (Törst)
Produktion: Svensk Filmindustri in Stockholm (1949)
Drehbuch: Herbert Grevenius nach dem Novellenband "Törst" von Birgit Tengroth
Regisseur: Ingmar Bergman
Kamera: Gunnar Fischer
Musik: Eric Nordgren
Darsteller: Eva Henning; Birger Malmsten; Birgit Tengroth; Mimi Nelson
Die hysterische junge Ruth reist im Jahre 1946 mit ihrem Manne von Basel durch die deutschen Ruinenstädte nach Hause. Der äusseren Trümmerlandschaft entspricht die innere Zerrissenheit der Ehe, die sich im Eisenbahnabteil vor unseren Augen abspielt. Die Rückblende zeigt Ruth als Geliebte eines verheirateten Offiziers, der mit zwei Frauen leben "muss". Ruth lässt ihr Kind abtreiben und wird unfruchtbar. Ihre Zuflucht sucht sie im Kreise von Freundinnen, von denen die eine aus Ekel vor den Männern Lesbierin wird, während die andere aus Ekel ins Wasser geht.
Die künstlerische Bedeutung Ingmar Bergmans, der mit seinen Filmen wie "An die Freude" und "Die Zeit mit Monika" Weltgeltung erlangte, ist unbestritten und zeigt sich auch in diesem Film in der sicheren Führung der Darsteller sowie der Kamera. Der Mangel dieses Filmes aber liegt im Drehbuch, das eine "unverdaute Mischung aus Strindberg, Ibsen, Freud und Hamsun" darstellt, wie ein Kritiker bemerkt. Der Film zeigt vorwiegend kranke Menschen, in einer Atmosphäre, in der kein Glück und kein Lächeln zu finden ist; mehr oder weniger dreht sich alles um Sexualität in ihren niedrigsten Formen. Das quälende Einerlei der beiden Eheleute spinnt sich ins Unendliche fort und wirft den Zuschauer zwischen Erschütterung und Schockiertheit hin und her. Eine Diagnose wird nicht gestellt und auch die von der Filmselbstkontrolle verlangte positive Änderung des Schlussdialoges bringt keine Lösung. Der Film war am 29. November 1952 von der FSK nicht freigegeben worden, weil er "geeignet sei, entsittlichend zu wirken und das sittliche Empfinden grösserer Publikumskreise zu verletzen. Die Wirkung des Filmes werde darin gesehen, dass in ihm die Beziehungen zwischen Mann und Frau nur im Negativen, destruktivem Sinne behandelt würden. Es werde zudem hier so dargestellt, als ob sich diese Beziehungen fast ausschliesslich auf der sexuellen Ebene abspielten, ohne dass sittliche Massstäbe und ethische Werte ins Gewicht fielen _... Der Film, der beim Zuschauer eine niederdrückende, trotslose Leere hinterlasse, müsse in unserer Zeit _... eine abträgliche Wirkung haben."
Rechtsanwalt Dr. von Hartlieb legte im Auftrag der Antragstellerin gegen diese Entscheidung des Hauptausschusses Berufung ein. Am 10. 1.1953 hat dann der Rechtsausschuss folgende Entscheidung getroffen: Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Der Dialog am Schluss ist etwa folgendermassen zu fassen:
Bertil: Ich will dich aber gar nicht loswerden. Ich liebe dich.
Ruth: Du liebst mich?
Bertil: Ja, trotz allem. - Wir lieben einander und wenn wir zusammenhalten, wirst du auch wieder gesund.
Begründung: Der Rechtsausschuss kann sich der Begründung des Hauptausschusses nicht anschliessen. Es ist zwar zuzugeben, dass die Hauptfiguren des Filmes überwiegend morbide und moralisch angekränkelte Menschen sind. Die Darstellung von negativen Elementen könnte aber nur dann eine entsittlichende Wirkung haben, wenn sie zur Nachahmung anreizen würde oder die dargestellten Lebensverhältnisse als erstrebenswert erscheinen liessen. Hiervon kann in dem Film jedoch keine Rede sein _...
Soweit die FSK. Der Berliner Filmkritiker Dr. Werner Fiedler schreibt dazu in der Zeitung "Der Tag": "Das ist eine zweifelhafte Entscheidung Denn danach müsste auch ein in krassesten Einzelheiten vorgeführter Lustmord zugelassen werden - weil er vorwiegend eine abschreckende Wirkung ausübe. Auf wen? Auf moralisch gesicherte Naturen vielleicht - aber auf die anderen _...? In solch kritischen Fällen müsste noch ein anderer Gesichtspunkt hinzutreten, nämlich die wichtige Frage nach der menschlichen und der künstlerischen Aussage. Leider sind aber künstlerische Gesichtspunkte bei den Entscheidungen der Freiwilligen Selbstkontrolle ausgeschlossen. Sonst hätte man uns mit diesem Film verschont _... Neben der ,abschreckenden Wirkung' müsste man eine erschütternde und damit läuternde Wirkung verlangen."       Bl.
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La bète humaine (Bestie Mensch)
Produktion: Paris Film Production (1938)
Drehbuch: nach dem Roman von Emile Zola
Regie: Jean Renoir
Kamera: Curt Courant
Musik: Joseph Kosina
Darsteller: Jean Gabin; Simone Simon; Fernand Ledoux; Carette Jean Renoir; Blanchette Brunoy
Originalfassung
_... Das dunkle Vorgefühl des Unglücks, das der Krieg mit sich bringen wurde, verstärkte noch den Pessimismus der besten französischen Filme Das gilt auch für die filmische Bearbeitung von Emil Zolas "La Bète Humain" durch Jean Renoir. Der Film beschreibt das Leben der französischen Eisenbahner mit äusserster Genauigkeit, und der Beginn - die Reise Paris - Le Havre, von einer Lokomotive aus gesehen - hätte aus einem Dokumentarfilm sein können. Der Ideengehalt des Werkes entspricht etwa dem Zolas, dessen Held Lantier durch die Erbanlage eines Alkoholikers, die so unerbittlich ist wie die Schicksalhaftigkeit der antiken Tragödien, zum Verbrecher wird. Renoir schwächte die pseudowissenschaftlichen Betrachtungen ab, ohne deshalb seinen Film weniger "schwarz" zu machen _...       aus Georges Sadoul: Geschichte der Filmkunst
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Die Schönen der Nacht (Les Belles-de-nuit)
Produktion: Franco London Film, Paris und Rizzoli, Rom, 1952
Regie: René Clair
Bild: Armand Thirard
Ton: Antoine Petitjean
Darsteller: Gérard Philipe; Martine Carol; Gina Lollobrigida; Magali Vendeuil; Marylin Bufferd
"Die Schönen der Nacht" - Bezeichnung der Franzosen für eine Blumengattung, deren Blüten sich nur kurz während der Nacht öffnen. (Also bitte keine falschen Schlussfolgerungen!) In Analogie zu dieser Bezeichnung setzt der Regisseur die Träume. Auch sie "blühen nur während der Nacht. 1653 schrieb Blaise Pascal in seinen "Pensées": "Wenn wir jede Nacht das gleich träumten, es würde uns genau so beschäftigen, wie alles, was wir täglich erleben; der Handwerker, der sich jede Nacht wirklich als König träumte - wäre er nicht wie ein König der jede Nacht träumt, er sei ein Handwerker?" - Was Claude, den Helden" der Geschichte, beschäftigt, sind Wachträume, Wunschträume und richtige Träume. Träume, gegenüber denen die Wirklichkeit nur umso grausamer ist. Träume von Glück, Vermögen, schönen Frauen, Träume die sich auflösen in Motorengeknatter, Hupkonzerte, Staubsaugerdröhnen. Doch Träume sind nicht nur "Schäume". Hier sind sie mehr Sie bringen Claude zu einer tieferen Einsicht über das Heute. Jenes Heute, das mit der reizenden Tochter des Garagenbesitzers auch ganz schön sein kann. Noch dazu, wenn die Pariser Oper das Erstlingswerk zur Uraufführung annimmt.
"Die Schönen der Nacht" - einer der "filmischsten" Filme überhaupt Die Kamera schwenkt von links nach rechts und überspringt dabei Jahrhunderte, ohne dass der Zuschauer das als "deus ex machina" ansieht. Gérard Philipe macht die ganze Geschichte so glaubwürdig, dass man ihm gerne den armen Musiker abnimmt, der voll Entsetzen in die Vergangenheit flüchtet, bis er in der Steinzeit landet, dort aber voll Grauen feststellen muss, dass es da auch nicht besser ist. Ein durchaus gekonnter Film. Die schlechteste Leistung: Martine Carol als Edmée.       Bk.
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Küss mich, Kätchen! (Kiss me Kate)
Produktion: MGM (USA 1953)
Regie: George Sidney
Buch: Dorothy Kingsley
Musik und Liedertexte: Cole Porter
Bühnentext: Samuel und Bella Spewack
Kamera: Charles Rosher A.S.C.
Choreographie: Hermes Pan
Bauten: Cedric Gibbons und Urie McCleary
Darsteller: Kathryn Grayson; Howard Keel; Ann Miller; Keenan Wynn; Bobby Van; Tommy Rall; James Whitmore; Kurt Kasznar; Bob Fosse; Ron Randell u. a. m.
Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" als Musical - ein schrecklicher Gedanke für den Liebhaber dramatischer Kunst. Und doch hat gerade dieses Produkt Cole Porters, der damit einen der grössten Erfolge am Broadway erzielte, es als erstes Werk dieser in Amerika gewachsenen Form der Musikkomödie vermocht, sich auch auf deutschen Bühnen durchzusetzen.
Der Film macht allerdings deutlich, was uns die Amerikaner bei der Aufführung dieser Musicals vor allem voraus haben: Darsteller, die gleichermassen perfekt spielen, singen und tanzen können. Hier besticht neben dem Paar Kathryn Grayson - Howard Keel vor allem das Tanzbuffo-Gespann Ann Miller - Keenan Wynn mit seinen artistischen Balett-Solonummern.
Hervorzuheben ist die gelungene deutsche Synchronisation, die auch bei den Gesangsnummern, deren Übersetzung zum Verständnis der mit doppeltem Boden laufenden Handlung hier wohl notwendig war, nicht störend wirkt.       p.b.
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Toni
Produktion: Films d' aujourd'hui, 1934
Drehbuch: Jean Renoir und Carl Einstein
Regie: Jean Renoir
Kamera: Claude Renoir
Darsteller: Blavette; Delmont; Andrex; Jeanne Hélya; Celia Montalvan
Originalfassung
Im Auftrage von Pagnol konnte Jean Renoir den Film TONI mit einer Freizügigkeit herstellen, die er bei anderen Produzenten nicht genossen hatte. Die Geschichte ist banal und alltäglich: ein Leidenschaftsverbrechen und ein halber Justizirrtum enden mit der Ermordung eines ausländischen Arbeiters durch einen feindseligen Bauern. Das Drehbuch beruht auf einem wirklichen Ereignis, das der Gerichtschronik entnommen und nach den Aussagen der Zeugen rekonstruiert war. So behandelt Renoir das Arbeitermilieu, von dem damals der amerikanische und französische Film nichts wissen wollten, auf der Grundlage eines seiner brennendsten Probleme, nämlich jenes der eingewanderten Arbeiter. Indem Renoir die instinktiven Methoden Pagnols - und die sehr bewussten des russischen Films - auf eine streng umgrenzte Gesellschaftsschicht anwandte, fand er die unaufdringliche Grösse und Schlichtheit des Tons, die seinen früheren Versuchen, NANA und LA CHIENNE, gefehlt hatten. Dadurch wurde TONI eines der seltenen Werke des französischen naturalistischen Films, das wahrhaft realistisch ist. Das Verbrechen war für Renoir nicht Selbstzweck. Das Wesentliche war, dass die Gesellschaft wahrheitsgetreu dargestellt und mit einer bildhaften Meisterschaft, die direkt von Renoirs Vater kommt, beschrieben wurde.
Wenn auch der geschäftliche Erfolg von TONI mittelmässig war, wurde dieser Film dennoch ein Wendepunkt für Renoir und für das ganze französische Filmwesen. Noch heute zeigt sich sein Einfluss in Italien. Aus: Georges Sadoul "Geschichte der Filmkunst"
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Der Bäcker von Valorgue (Le boulanger de Valorgue)
Produktion: Bar-Cite-Films, 1952
Verleih: Super Film GmbH. i. K.
Regie: Henri Verneuil
Drehbuch: P. Lozach, Y. Favier
Darsteller: 1. Fernandel; 2. Fernandel; 3. siehe 1. und 2.; ferner: Georges Charmarat; Jean Gaven; Leda Gloria; Henri Vilbert
Die Hauptrolle dieses Filmes "Der Bäcker von Valorgue" spielt Fernand Constantin. Unbekannt? - Seit dem Film "Don Camillo und Peppone" kennt und schätzt ihn alle Welt. Sein Künstlername ist FERNANDEL. Ein Mann, dem keinesfalls die Attribute eines Don Juans zuzusprechen sind, auch wenn er erst kürzlich einen Film über dieses Thema drehte. Schlichtweg, ein hässlicher Mann. Die Werbung selbst, die sonst bemüht ist, das von ihr Angepriesene als makellos hinzustellen, sagt, er habe ein Pferdegesicht. Makellos ist seine Kunst der Menschendarstellung. Seitdem er von Yves Allegret, mit dem er "Mamzelle Nitouche" drehte, für den Film entdeckt wurde, hat er die mannigfachsten Charaktere und Berufe darzustellen gehabt: Friseur (in "Der Damenfriseur"), Räuberhauptmann (in "Ali Baba und die vierzig Räuber"), Priester (in "Die Rote Herberge"), Gangster (in "Staatsfeind Nr. 1"), Modeschöpfer (in "Der Modekönig") und hier steht er vor uns als
"Der Bäcker von Valorgue".
Inhalt: Liebespaar nimmt einen Vorschuss auf die Seligkeit, wodurch der Bäckermeister des kleinen französischen Ortes Valorgue Grossvater wird.
Der Rest ist - Fernandel.       Bk.
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Fernruf aus Chicago (Chicago calling)
Produktion: Associated Artists 1951
Regie: John Reinhardt
Drehbuch: John Reinhardt, Peter Berneis
Kamera: Robert de Grasse
Musik: Heinz Roemheld
Bauten: Boris Levin
Darsteller: Dan Duryea; Mary Anderson; Gordon Gebert; Judy Brubaker
Auch Stile (in der Kunst, im Denken usw.) sind etwas Nationales und wandeln sich, wenn sie über die Grenzen ihrer Heimat hinaus zu wirken begannen, sofort. "Chicago Calling", ein in der Nachfolge des italienischen Nachkriegsrealismus entstandener Film, nimmt indessen eine Sonderstellung ein. Denn dieser Film ist nicht das Produkt der Verbreitung neorealistischer Konzeptionen durch die amerikanische Filmmaschinerie, sondern die individuelle Schöpfung eines enthusiastischen Einzelgängers, in dem das Vorbild der Italiener ganz unmittelbar gewirkt haben muss. Es ist die Geschichte eines abgewirtschafteten Photographen, der am selben Tage, an dem er ein entscheidendes Ferngespräch erwartet, seinen Telephonanschluss verlieren soll, da einige Rechnungen nicht bezahlt sind. Er versucht, was ihm nur einfällt, um zu Geld zu kommen - vergeblich. - Diese Ausgangslage, deren Grundton bis zum Ende durchgehalten wird, erinnert natürlich sofort an die grossen Filme, die Zavattini geschrieben, de Sica inszeniert hat. Die Anregung geht weit; so finden sich als Bill Cannons Attribute neben dem Jungen - aus "Fahrraddiebe" - auch der Hund aus "Umberto D." -. Gut abgeguckt, möchte man zunächst glauben, bis man sich überlegt, dass es gar nicht so wahrscheinlich ist, dass Reinhardt oder Berneis den im selben Jahr hergestellten Umberto schon gekannt haben.
Eines aber kann ein amerikanischer Film nicht mitmachen, was für Zavattini, für Visconti, für Rosselini eine Selbstverständlichkeit war - dass nämlich die "nackte Wirklichkeit", das soziale Ausgesetztsein des einfachen Mannes unverschuldet ist. Ein soziales Problem im europäischen Sinne ist Amerika fremd. Bill Cannon kann nicht ein Opfer der unvollkommenen Umstände sein - er ist ein Trinker!
Das eigentlich Merkwürdige an diesem Film ist, dass er, der einen gerade en vogue befindlichen Stil schlank und rank nachahmt, nicht ein schlichter Abklatsch, sondern ein bemerkenswertes Zeugnis des Realismus geworden ist.       KB.
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Stadt der Illusionen (The Bad and the Beautiful)
Produktion: MGM, 1952
Regie: Vincente Minnelli
Drehbuch: Charles Schnee
Produktionsleiter: John Houseman
Darsteller: Lana Turner; Kirk Douglas; Walter Pidgeon; Dick Powell; Barry Sullivan
Welches ist die "Stadt der Illusionen"? Es kann Babelsberg sein, aber auch Joinville, Wiesbaden oder Cinecitta bei Rom. Wenn wir aber nach der "Stadt der Illusionen" fragen, wo die Illusion bereits wieder sich selbst zerstört, wo der Moloch gar nicht mehr eine Illusion aufkommen lässt, dann kann es nur eine Stadt sein - Hollywood. Hollywood, jene Vorstadt von Los Angeles, die innerhalb von vierzig Jahren als die Filmmetropole der ganzen Welt Geltung bekommen hat. Jene Stadt, in der Cecil B. DeMille 1913 bei den Aufnahmen zu dem Film "The Squaw Man" noch mit dem Revolver herumlief, um das belichtete Material zu beschützen, damit die Konkurrenz es nicht "klaute" und über die nahe mexikanische Grenze schleppte.
Die Methoden mögen humaner geworden sein, ob sie besser wurden, mag dahingestellt bleiben. In diesem Zusammenhang sei nur an die Kontroverse Joseph R. Vogel - Joseph Tomlinson - Stanley Meyer - Louis B. Mayer im September 1957 erinnert, die in Fachkreisen Aufsehen erregt hat. Der ganze Streit ging darum, wer die Loew Inc. (MGM) führen soll.
Ist es nur ein Zufall, dass gerade ein Film dieser Firma fünf Jahre vorher allen Dreck und Schmutz, menschliche Niedertracht, aber auch Genialität der Filmindustrie den Zuschauern dargelegt hat? Der Film würde besser heissen "Stadt der Illusionen ohne Illusionen". Erbarmungslos wird hier in drei Rückblenden der herrsüchtige, egozentrische, begabte und faszinierende Produktionschef Jonathan Shields gezeigt, Sohn eines ebensolchen Vaters. Vier Menschenleben sind es, die Shields nach seinem Willen gelenkt hat, die er zu dem machte, was sie sind, und die ihm mit einer seltsamen Hassliebe verbunden sind. Diese vier Menschen verkörpern zusammen mit Shields den Kopf einer Produktionsgesellschaft schlechthin: Regisseur, Star, Autor, Assistent. Hollywood hat Hollywood gefilmt.       Bk.
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