Vorwort | Filmdaten bis 1920 | Filmdaten ab 1920 | Filmdaten noch nicht hier | Nicht-Filmdaten |
---|
Filmstudio Heft 14, August-Oktober 1955
Gemeinsam mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenaroe»
veranstaltet das Film-Studio ausserhalb seines Programms eine Filmreihe
zu dem Thema:
"Filme als Helfer zur Bekämpfung von Vorurteilen über Klassen, Rassen
und Religionen"
Es werden voraussichtlich folgende Filme gezeigt:
20. 9.: Äffaire Blum" (Erich Engel, 1948)
27. 9.: "Die letzte Chance" (H. Lindtberg, 1945)
4.10.: "Irgendwo in Europa" (Geza v. Radvany, 1947)
11.10.: "In Frieden leben" (Luigi Zampa, 1947)
18.10.: "Gentlemen Agreement"
25.10.: "Die Kinder von Hiroshima"
1.11.: "Denn sie sollen getröstet werden" (Zoltan Korda, 1952)
8.11.: "Ehe im Schatten" (Kurt Maetzig, 1947)
Die Vorstellungen finden jeweils dienstags um 18.00 und 20.00 Uhr statt.
Eintritt frei.
Nach der jeweils letzten Vorstellung ist Gelegenheit zu einer Diskussion
gegeben.
Programmänderungen vorbehalten!
Zurück zum Anfang
Jahrhundert des Films! - Jahrhundert des Kindes?
1.
Seitdem Sigmund Freud den Blick der Wissenschaft für die Probleme der Psychologie in starkem Masse geweitet hat und - wenn auch später, so doch in einem Zuge - diese Fragen, vor allem die, die mit der Kindeserziehung zusammenhängen, soweit wie möglich populär gemacht worden sind, finden wir in der Literatur und vor allem auch im Film, bei dem ja viel stärker als bei jener der Sinn für aktuelle Fragen vorhanden ist, häufig Themen, die das Kind im Verhältnis zu seiner Umwelt und den Erwachsenen behandeln. Es soll also nicht von jenen Filmen gesprochen werden, die sich Kinderdarstellern bedienen und sich hauptsächlich an ein Kinderpublikum wenden, auch nicht von jenen, die mit Hilfe altkluger Kinderstars in unechter, andressierter Niedlichkeit Kinderkarikaturen liefern, sondern von solchen, denen es in ehrlicher Absicht um die Auseinandersetzung mit der ganzen Vielschichtigkeit der Kinderseele geht, rätselhaft nicht minder als die der Erwachsenen, und mit deren Gefährdung in einer "gebrechlichen Welt".
Mag man auch einwenden, dass solche Probleme nicht ausgesprochen "filmisch" seien, und dabei an die Gesetze der Filmgestaltung, wie Schnitt, Bildaufbau und dergleichen denken, und deshalb einer Behandlung in diesem Rahmen nicht bedürften, so darf aber nicht übersehen werden, dass in einer Zeit, in der die Gestaltung eine gewisse Perfektion erreicht hat, die Bedeutung der Auswahl der Themen sich mehr und mehr in den Vordergrund geschoben hat.
Wenn man dieses voraussetzt und den "Geist" oder "göttlichen Funken" oder wie man es nennen will als wesentlichstes Gestaltungsmoment hinzurechnet, so bleibt dem Filmschöpfer zur Akzentuierung dieser Phänomene noch ein weites Feld überlassen.
2.
Geht man an dieses Thema näher heran, so bietet sich einem sowohl chronologisch als auch systematisch als erstes die Situation des Waisenkindes an, vielfältig in der Literatur und schliesslich in deren Verfilmung dargestellt, besonders dramatisch wirksam und an das menschliche Mitgefühl rührend durch die Unkompliziertheit der Zusammenhänge, eine Situation, die ohne weiteres jedem verständlich und eingängig ist. Bei der grossen Verschiedenartigkeit, mit der dieses Thema abgewandelt worden ist, meist nur sehr fern von der Wirklichkeit, wollen wir uns nur darauf beschränken, die David Leansche Verfilmung von Dickens' Öliver Twist" zu erwähnen, die uns - mag auch noch manches romantisierend verharmlost sein - die Augen dafür geöffnet hat, dass das Schicksal eines Waisenkindes auf meist sehr wenig ebenen Bahnen verläuft.
Differenzierter ist die Situation des Kindes, das durch eine Vernachlässigung seitens der Eltern auf sich selbst angewiesen ist und somit psychisch gesehen zum "Waisenkind" wird, eine Situation, fast schlimmer noch, da es im Unterbewusstsein sicher genau weiss, wer dafür zuständig ist, es mit menschlicher Wärme und dem Gefühl von Geborgenheit zu versehen, diese aber bei seinen Eltern nicht findet, und ihm auf der Suche nach einer anderen Quelle dieser Gefühle die Entscheidungsfreiheit überlassen bleibt, was natürlich für die weitere Entwicklung des Kindes schwere Folgen haben kann. Sucht sich der kleine Junge in Carol Reeds "Fallen Idol" in dem Hausmeister seinen Helden, nicht etwa, weil die Qualitäten seiner Eltern aus seiner Perspektive nicht dazu gereicht hätten, sondern weil Verehrung, einseitig betrieben, wie alle zwischenmenschlichen Beziehungen unbefriedigend ist, so ist die Enttäuschung - nach unserer Beweisführung die zweite in seinem jungen Leben - so gross, dass man nur hoffen kann, er möge sie nicht in ihrer ganzen Realität erfassen, sondern ihm möge in der Hauptsache Verständnislosigkeit bleiben, als der Nymbus seinen Idols sich in nichts auflöst. Es sind doch auch die gleichen Gründe, aus denen sich ein Fünfzehnjähriger in Felices "Erste Liebe " an ein gleichaltriges Mädchen wendet und die Katastrophe ist noch grösser, wenn auch nicht so klar und eindeutig gestaltet wie bei Carol Reed, als dieses Mädchen dann bei der Geburt ihres ersten Kindes stirbt.
Bei diesem Film taucht daneben oder besser in erster Linie schon die erste Liebe mit all ihrer Problematik auf, die wir nicht näher behandeln wollen, weil das von berufener Seite schon vielfach getan worden ist, gleich wie die Jugend Verwahrlosung, die ja vielfach, vor allem, wenn die erstere nicht ohne Folgen geblieben, mit dieser in einem Atemzug genannt wird. Wenden wir uns lieber einem Film zu, in dem das Verhältnis zwischen Gut und Böse versteckter und diffiziler gestaltet worden ist, nämlich Philip Leacocks "The Kidnappers" (1953), in dem zwei verwaiste, in der Einsamkeit der Natur auferzogene Kinder, denen ihr Grossvater aus Gründen seiner puritanischen Pädagogik ihren Herzenswunsch, ein Hündchen zu besitzen, verweigert, ein kleines Kind stehlen, dem sie ihre Liebe schenken können, und so - halb bewusst, halb unbewusst - in das schillernde Zwischenreich von Schuld und Unschuld geraten.
3
Dies aber wird zum zentralen Motiv schlechthin, wo der Film Kinder in unserer modernen Grossstadtzivilisation mit ihrer, durch Kriege noch verschärften sozialen Problematik aufsucht. In Chaplins "The Kid" (1920) hilft der kleine Waisenjunge dem Landstreicher bei seinen kleinen Gaunereien, weil dieser Ausgestossene der einzige ist, der für ihn ein Herz hat. In Rosselinis "Paisa" (1946) gibt es eine Episode, in der ein zerlumpter, hungriger Junge einen farbigen Besatzungssoldaten betrunken macht und dann ausplündert; wenig später erwischt ihn der Neger, folgt ihm, um seine Bestrafung zu veranlassen, in seine Behausung - und kehrt, angesichts der Elendsquartiere von Neapel, in wortloser Erschütterung um. Auch de Sica, fern aller Atelierluft, hat Kinderelend und sinnentleerte Justiz mit Meisterhand konfrontiert ("Schuschia" 1947), und mit den Stilmitteln des Neorealismus ist ein ähnliches Thema überzeugend bewältigt worden: In Luigi Comencinis "Proibito rubare" (1948) wird nicht ohne feine Ironie gezeigt, wie ein junger, idealistischer Geistlicher eine Kinderstadt aufbaut, aber durchaus nicht allein mit Gottes Hilfe oder der edler Mitmenschen, sondern mit Mitteln, die aus den Diebstählen seiner Zöglinge stammen und ihm als vorgebliche Mäzenatengabe zugestellt werden. Aus den USA wollen wir noch ein zweites Beispiel hinzuziehen, nämlich Ted Tetzlaffs "The Window" (1949). Hier ist es ein Junge, aufwachsend in einem trostlosen Hinterhof-Milieu, der mit seiner Phantasie diese Fesseln seiner Umgebung zu sprengen versucht und in einer (zweiten) Welt der Abenteuer-Romantik lebt, die ihm dann auf überraschende Weise zum Verhängnis wird. Und in Robert Vernays "Keine Ferien für den lieben Gott" (1949) wird der Mythos von der Ünschuld der Kindheit" zugunsten eines differenzierteren Verständnisses aufgehoben, wenn eine Horde Pariser Gören mit dem Lösegeld für gestohlene Hunde in Stellvertretung Gottes das Elend dieser Welt mildert - eine Theodizee, voll sublimsten Humors! Ein tröstlicher Film ist hier entstanden, der auch im Bösen noch das Gute wirksam sieht.
Das Kernproblem aber bleibt bei diesem wie bei allen anderen in diesem Abschnitt erwähnten Filmen die allzu grosse Verschiedenheit der kindlichen Welt von der der Erwachsenen. Hier eine Welt, die im wesentlichen aus Bereitschaft besteht, ein Gefäss gewissermassen, ein sehr reines, zartes, doch ohne bestimmte Form, bereit, gefüllt zu werden, dort eine Welt, die uns voll von Ungewissheit, Erfahrungen und daraus resultierenden Vorurteilen erscheinen mag. Es ist einleuchtend, dass bei dem Versuch, diese beiden Welten miteinander zu verquicken, die Kinderseele schweren Gefahren ausgesetzt sein kann, so schweren Gefahren, dass sie daran scheitern muss. Prägnantestes, wenn auch umstrittenstes Beispiel hierfür ist im Film ohne Zweifel Jean Cocteaus "Les enfants terribles": Kinder bauen sich in Abwehr gegen die andere Weit ein Reich, aus dem sie dann nicht mehr entrinnen können, das sie aber bei der ersten machtvollen Berührung mit der anderen Welt, nämlich durch die Liebe, preisgibt und beide mit schonungsloser Konsequenz in den Tod treibt.
Hier stellt sich uns das Erziehungsproblem entgegen, vielfach abgehandelt, optimistisch und sehr schlicht und klar auseinandergelegt in "L' Ecole buissonnière" (1948) von Jean-Paul Le Chanois, worin ein junger Lehrer mit zäher Geduld um das Gute in der Seele eines Aussenseiters ringt, und in derselben schlichten Weise, jedoch warnend vor der kindlichen Grausamkeit, in Jean Faurez' "La Vie en Rose". Zeigt uns der erstere, wie eine falsche, lieblose Erziehung die Entwicklung eines Kindes hemmt, indem sie zum inneren, passiven Widerstand reizt, der aber nie zum Ausbruch kommt, sondern sich im Bewusstsein festsetzt und von dem der herangewachsene Jugendliche nur sehr schwer, meist gar nicht, zu befreien ist, zeigt der letztere Film, wie aus derselben Ursache eine Schulklasse, hemmungsloser, weil in der Mehrzahl, sich zum aktiven Widerstand entscheidet, und dem Lehrer in raffiniert ausgeklügelter Weise und aufs schwerste verletzend den Aufenthalt an der Schule zur Pein macht.
Erzieherisch und von grösstem Einfluss sind die Umweltsbedingungen, die sozialen Verhältnisse, das menschliche Format der Erwachsenen, mit denen die Kinder zusammenkommen. Seit dem letzten Krieg oftmals im Film behandelt ist das Problem des durch die Kriegsereignisse in seiner Entwicklung gestörten Kindes selten so eindringlich und überzeugend gestaltet worden, wie in René Cléments "Verbotene Spiele". Diese Kinder, die das Sterben so oft gesehen, den Tod aber nie in seiner Bedeutung erfasst haben, spielen Begräbnis, legen einen Friedhof an, bewegen sich in einer Welt, in die sie hineingeworfen aber nicht hineingewachsen sind, erleben diese Welt nur in der Nachahmung, ohne Zusammenhänge zu kennen, geben so ein leeres Spiegelbild dieser Welt wieder.
Ähnlich ist die symbolische Aufgabe, die das Kind in den Filmen Carol Reeds hat. In "The Third Man" schimpft es - im Namen der ganzen Menschenmenge - einen Unschuldigen einen Mörder, ohne zu prüfen, ohne von den Zusammenhängen zu wissen, im Öutcast of the Islands" nennt es den "Verdammten" Schwein, ohne von dessen Einsamkeit zu ahnen. Im Ödd Man Out" dagegen ist es ein spielendes Kind, das den Verfolgten nur durch sein Erscheinen dessen ganze Verlorenheit, dessen ganze Hilflosigkeit erkennen lässt, in ihm den Wunsch loslöst, frei zu sein von der Schuld dieser Welt, den Wunsch nach Kindheit.
Es ist gesagt worden, unser Jahrhundert sei das des Kindes. Den
Gedanken, die zur Begründung dieses Ausspruchs angeführt werden, möchten
wir diesen hinzufügen: dass die Dekadenzerscheinungen unserer späten,
überreifen Zeit in kompensierendem Streben vielleicht erst zur Sehnsucht
nach dem Verlorenen, nach der Naivität, der Kindheit geführt haben. Wenn
dieser Gedanke, so spekulativ er erscheinen mag, etwas Wahres hat, dann
wird diese Sehnsucht in einem grossen Teil der erwähnten Filme ihren
Niederschlag gefunden haben.
Zurück zum Anfang
Les enfants terribles (Frankreich)
(Die schreckliehen Kinder)
Produktion: Melville (1949)
Regie: Jean-Pierre Melville
Buch: Jean Cocteau nach seinem gleichnamigen Roman
Kamera: Z. Thibaudier H. Decae
Musik: Bach-Vivaldi zusammengestellt von Paul Bonneau
Darsteller:
Nicole Stephane; Edouard Dermithe; Renée Cosima;
Jacques Bernard; Mel Martin; Maria Syliakus
Film ist die Kunst der beinahe unbegrenzten Möglichkeiten! In kaum
einer Kunstform haben die Avantgardisten und Aussenseiter eine so grosse
Rolle gespielt wie im Film. Immer wieder haben begabte Filmschöpfer mit
mehr oder weniger grossem Erfolg neue Impulse zu geben versucht.
Cocteau ist ein Dichter und ein Genie dazu. Bei all seiner
Vielseitigkeit hat er es stets verstanden, die Gesetze der jeweiligen
Kunstform, in der er sich gerade betätigte, zu erkennen und konsequent
anzuwenden. Wenn Cocteau auch nicht für diesen Film als Regisseur
verantwortlich zeichnet, so atmet die Verfilmung dieses seines Romans
nicht weniger von seinem Wesen als etwa Örphée" oder "La belle et la
bête".
Jeder Teil der einfachen Handlung erhält, getaucht in das "sang d' un
poète", ein Maximum an Symbolkraft. Diese filmische Dichtung mag sich
stets an der Grenze des Möglichen bewegen, aber das Kokettieren mit dem
kleinen Quentchen "Zuviel" ist wohl nicht zu Cocteaus schlechtesten
Eigenschaften zu zählen, denn Kunst und Wagnis sind doch zwei Begriffe,
die eng miteinander verbunden sind.
Zurück zum Anfang
Fallen Idol
(England)
(Kleines Herz in Not)
Produktion: Alexander Korda (1948)
Regie: Carol Reed
Buch: Graham Greene
Kamera: Georges Perinal
Musik: William Alwyn
Darsteller: Sir Ralph Richardson; Sonia Dresdel; Michèle Morgan; Dennis
O'Dea; Bobby Henry; Walter Fitzgerald
Carol Reed hat sich auf allen Gebieten des Films versucht, bevor er
sich 1946 mit seinem Ödd Man Out" und dann später mit "Fallen Idol" und
"The Third Man" zu einem eigenen Stil durchringen konnte. In diesen
uns bekannten Filmen, und auch im 1951 gedrehten "The Outcast of the
Islands" sind es gerade Kinder, denen er eine Rolle von grosser
symbolischer Bedeutung beimisst.
In diesem Film ist es der kleine Phil, der, von seinen Eltern
vernachlässigt, den Hausmeister Baines zu seinem Idol macht. Das
Verhältnis kehrt sich fast um, als das Kind Zeuge eines vermeintlichen
Mordes seines Freundes an dessen Ehefrau wird. Es muss die
Unzulänglichkeit seines Helden erkennen, und in seiner völligen
Verwirrung und Ratlosigkeit kann es nichts anderes tun, als zu
versuchen, den Freund durch falsche Aussagen zu decken.
Dass Carrol Reed das Kind bei den Aufnahmen zu einem Zauberkünstler
aufsehen liess, mag uns ein Beispiel für die Bedeutung der Montage und
ein Beispiel für die Kunst Carol Reeds sein, der Menschen und deren
Empfindungen nicht spielen lässt, sondern mit filmischen Mitteln
gestaltet.
Zurück zum Anfang
Plus de vacances pour le bon dieu (Frankreich) (Keine Ferien für den
lieben Gott)
Produktion: Jason-Lalino Consorcium (1949)
Regie: Robert Vernay
Buch: Solange Terac; Lil Boel; Robert Vernay
Kamera: V. Armenise
Musik: Jean Wiener
Darsteller: Armontel; George Gösset; Laurence Aubrey; Jane Morlet;
Rognoni; Balpetre; Sophie Leclair
Kinder stehlen Hunde, und aus dem Erlös dieses Geschäftes tun sie im
Namen des lieben Gottes armen Leuten Gutes! R. Vernay inszenierte
diese einfache Handlung mit leichter Hand und Esprit. Der kritische
Unterton und die etwas doppelbödige Moral bleiben unaufdringlich im
Hintergrund und machen einer lebhaften Kinderkomödie Platz. Optische
Einfälle und Überraschungen bewahren den Film davor, in billige Gefühle
abzugleiten. Diese frische Ungezwungenheit der Regie und der Darstellung
ist einer der grössten Vorzüge dieses Films.
Zurück zum Anfang
Naked City (USA) (Stadt ohne Maske)
Produktion: Mark Hellinger (1948)
Regie: Jules Dassin
Buch: A. Maltz; M. Wald
Kamera: William Daniels A.S.C.
Musik: M. Rosza F. Skinner
Darsteller: Barry Fitzgerald; Ted de Corsia; Howard Dutt; House Jameson;
Dorothy Hard; Anne Sargent; Don Taylor; Adelaide Klein
In den letzten Jahrzehnten sind immer wieder Zeugnisse einer sozialen
Selbstkritik sei es in der Literatur, im Film oder Theater, aus den USA
zu uns gekommen; Selbstkritik in einer Form, die wir in Europa gar nicht
kennen die schliesslich in Europa gar nicht denkbar wäre. Diese
Bestrebungen das amerikanische Alltagsleben unverfälscht und öhne Maske"
zu zeigen mag uns in der Kunst oft poesielos und abstossend erscheinen,
verfehlt aber nur selten dank seiner wirklichkeitsgetreuen und brutalen
Grossartigkeit seine Wirkung auf uns.
Hier geht es um die Aufklärung eines Mordes, aber neben dieser Handlung
spielt die Stadt New York eine wichtige Rolle, nämlich da, wo die
erwähnte Selbstkritik anfängt. Faszinierend und frei von jeder
Abenteuerromantik die Darstellung der Arbeit einer Mordkommission. Der
Gesuchte wird in sorgfältig geplanter und systematischer Kleinstarbeit
gefunden.
Durch die Verwendung von Original-Schauplätzen, echten Menschen und
einer Handlung, die auf Tatsachen beruht, entsteht eine effektvolle
Mischung von Dokumentar- und Spielfilm.
Zurück zum Anfang
The Window (USA) (Das unheimliche Fenster)
Produktion: Dore Schary (1949)
Regie: Ted Tetzlaff
Buch: Mel Dinelli
Darsteller: Barbara Hale; Paul Stewart; Bobby Discroll; Ruth Roman;
Arthur Kennedy
Die Fabel des Äsop vom Hirtenknaben, der mit dem Ruf: "Der Wolf! Der
Wolf!" die Hirten irreführte und keinen Glauben fand, als dann wirklich
der Wolf kam, hat in diesem Film eine moderne Fassung erhalten. Dem
kleinen Tommy, der ungewollt Zeuge eines Mordes wird, glaubt man seine
Erzählungen nicht, weil es seine Gewohnheit ist, von schaurigen
Erlebnissen, die seiner Phantasie entspringen, zu erzählen.
An der Oberfläche erleben wir die ungeheure Spannung dieser Geschichte,
das Problem liegt nicht so offen und könnte so erklärt werden, dass in
der wirklichen Gefahr dem Jungen die krassen Farben seiner Phantasie
genommen werden und er die Ereignisse erlebt, ohne ganz ihrer
schrecklichen Realität gewahr zu werden.
1949 in Brüssel mit einem Preis für die Regie ausgezeichnet, ist dieser
Film ein Beispiel eines gut verarbeiteten und durch die angeborene
lebendige Schauspielkunst Bobby Discrolls eindrucksvoll
gestalteten kinderpsychologischen Problems.
Zurück zum Anfang
L' école buissonière (Frankreich) (Wenn man die Schule schwänzt)
Produktion: Pierre Laurent (1948)
Regie: Jean-Paul le Chanois
Buch: Jean-Paul le Chanois
Kamera: A. Dumaitre; M. Fossard; M. Pecqueux
Musik: Joseph Kosma
Darsteller: Bernard Blier; Edouard Delmont; Juliette Faber; J- L.
Allibert Ardisson
Dieser Film ist wieder einmal ein Beispiel dafür, wie sehr es bei einem
Film auf das "Wie" der Gestaltung ankommt. Die Handlung ist einfach, es
geschieht beinahe nichts. Ein Lehrer kommt in ein kleines Dorf, findet
eine wilde, undisziplinierte Horde als Schüler vor und macht eine gute
Klasse daraus. Wie bei vielen guten französischen Filmen bleibt das
Problem der Geschichte im Hintergrund und versteckt sich hinter der
Schilderung des Milieus eines kleinen französischen Dorfes. Über diesen
Umweg erlebt man, wie in den Augen der Schüler aus dem Pauker ein Mensch
wird, dem sie ehrliches Vertrauen entgegenbringen, und selbst der
Schlimmste unter ihnen das "non scholae _..." begreift.
In Frankreich erhielt dieser Film 1948 den Preis der Filmkritik.
Zurück zum Anfang
Heaven Can Wait (USA)
(Ein himmlischer Sünder)
Produktion: Ernst Lubitsch (1943)
Regie: Ernst Lubitsch
Buch: S. Raphaelson nach dem Bühnenstück "Birthday" von Lazlo
Bus-Fekete
Kamera: E. Crenjager A. S. C.
Musik: Alfred Newman
Darsteller: Gene Tierney; Don Ameche; Charles Coburn;
Marjorie Main: Laird Cregar
Wenn ein Film ein Meisterwerk werden soll, und er bleibt schwach, so
wirkt es auf den Zuschauer peinlich. Wenn ein Film aber nicht mehr will
als nett und vergnügt sein, und er wird reizend, so reizend wie der
"Himmlische Sünder", dann ist es für den Zuschauer ein Genuss.
In dieser Biographie eines Casanovas der Gesellschaft entfaltet Ernst
Lubitsch sein Talent als Schöpfer geistvoller und liebenswürdiger
Gesellschaftskomödien. Die Handlung dieses Films - er spielt in der
sorgenlos-liebenswürdigen Plüschsofazeit - bleibt sozusagen streng en
famille: Diskret erkennen wir die Seitensprünge des Gatten nur an ihren
Spuren: Verräterische Rechnungen über Geschenke, verkatertes
Nachhausekommen in der Frühe und dann und wann Zärtlichkeiten aus
schlechtem Gewissen. Verziehen wird dem "Sünder" nur wegen seines
Charmes, von seiner menschlich-liebenswürdigen Gattin, vom Publikum und
auch von der "höheren Instanz".
Ernst Lubitsch, Max Reinhardt-Schüler, ging 1923 nach Hollywood, wo er
auch 1947 gestorben ist. "Ein himmlischer Sünder" war einer seiner
letzten Filme und sein erster Farbfilm überhaupt. Er gehört zu den
wenigen europäischen Regisseuren, die in Amerika ihre Eigenart bewahren
konnten.
Zurück zum Anfang
Whisky Gallore (England)
(Freut Euch des Lebens)
Produktion: J. Arthur Rank (1950)
Regie: A. Mackendrick
Buch: Compton Mackenzie nach seinem gleichnamigen Roman
Kamera: Gerald Gibbs
Musik: Ernest Irving
Darsteller: Basil Radford; Joan Greenwood; James Robertson; Bruce
Seton; Gordon Jackson
Kommen aus Italien Filme von starkem Verismus, aus den USA die Filme
der kritischen Selbstbetrachtung, aus Frankreich die Filme mit
zauberhaftem Charme, so kommen aus England' die Filme mit dem diesem
Volk eigenen trockenen Humor. Wir erinnern an "Die seltsamen Wege des
Pater Brown", " _... aber Herr Doktor!", an "Sein grösster Bluff". Es
liessen sich zu dieser Aufzählung noch eine lange Reihe hinzufügen.
Hier geht es um die Schotten und ihren Whisky. Wenn der Bevölkerung
einer schottischen Insel der Whisky ausgeht, und wenn dann dank eines
wohlwollenden Schicksals eine Schiffsladung von fünfzigtausend Kisten an
den Strand gespült wird, so ergeben sich unzählige komische Situationen
und filmische Möglichkeiten.
Der Regisseur - selbst Schotte - verstand es, diese Möglichkeiten zu
nutzen, und der Film wurde 1950 in New York als bester Film des Jahres
preisgekrönt!
Zurück zum Anfang
Jeux interdits (Frankreich) (Verbotene Spiele)
Produktion: Paul Joly (1952)
Regie: René Clément
Buch: J. Aurenche; P. Bost; René Clément
Musik: Narcisso Yepes
Kamera: Robert Juillard; Jacques Robin
Darsteller: Brigitte Fossey; Georges Poujouly: Lucien Hubert; Suzanne
Courtal; Jacques Marin; Laurence Badie
Die Welt der Erwachsenen gespiegelt an der Welt zweier Kinder! Eine
kleine Kriegerwaise und ein Bauernjunge spielen Sterben und Begräbnis.
Um die Gräber kleiner Tiere auszuschmücken, stehlen sie vom Friedhof des
Dorfes Kreuze, Blumen und Grabschmuck. Der Tod, dessen Bedeutung ihnen
unverständlich bleibt, ist diesen Kriegskindern zu einem Ereignis des
täglichen Lebens geworden. Es ist ein Kriegsfilm, aber frei von furiosen
Bildern von Bombenangriffen und Trümmern. Es ist eine Anklage gegen den
Krieg, aber die triste und trostlose Welt des Krieges weicht zurück vor
der reinen und zarten Welt der Kinder.
René Clément schrieb das Buch nach einer Romanvorlage von Francois Boyer
und führte Regie. Für einen Film eine ideale Lösung! Ein Film der
grossen Auszeichnungen! Neben dem Öscar 3952" und dem "Preis der Presse"
in Cannes erhielt der Film fünf weitere Auszeichnungen.
Zurück zum Anfang
Rendez-vous de Juillet (Frankreich) (Jugend von heute)
Produktion: R. G. Vuattoux (1949)
Regie: Jacques Becker
Buch: Maurice Griffe und Jacques Becker
Kamera: Claude Renoir
Musik: Jean Wiener und Claude Lutter
Darsteller: Brigitte Auber; Maurice Ronet; Daniel Gelin; Pierre Traband;
Nicole Courcel
Jacques Becker setzte sich in die Cafés des Quartier Latin, beobachtete
dort die jungen Studenten, Schauspiel- und Kunstschüler, setzte sich
schliesslich mit ihnen zusammen und schrieb aus den Ereignissen ihres
täglichen Lebens heraus das Drehbuch. Und so präsentieren sich uns nun
der junge Student, der von seiner Expedition träumt und sie mit viel
Energie schliesslich durchführen kann, die erste Liebe, zwar noch
unbedeutend, aber doch so ernst und wichtig, wie alles im Leben dieser
jungen Menschen, präsentieren sich uns ihr Ehrgeiz, ihre Ziele, ihre
Plane Wir sind Zeuge einer "Jam Session" und erleben eine private Feier
auf einer Bude". Die Bärte der jungen Männer, das buntbemalte alte Auto,
die ewige Geldknappheit sind die Requisiten, die diesem heiteren Film
seine charakteristischen Lichter aufsetzen. Viel jugendliche Frische und
auch jugendliche Schwermut kommen hinzu; das alles von der Kamera zwar
nicht oberflächlich behandelt, aber doch nur gestreift, ergibt diesen
Film mit Esprit.
Zurück zum Anfang
Napoleon ist an allem Schuld (Deutschland)
Produktion: Gerhard Stab (1938)
Regie: Curt Goetz
Buch: Curt Goetz und Peter Gillmann
Kamera: Friedl-Behm Grund
Musik: Franz Grothe
Darsteller: Curt Goetz; Kirsten Heiberg; Valerie v. Martens; Max
Gülstorf; Paul Henckels; Maria Krahn; Else v. Möllendorf
Es ist ganz interessant, einmal einen alten Curt-Goetz-Film mit seinen
Produktionen nach 1945 zu vergleichen. Während in seinen neuen Filmen -
wir erinnern an "Das Haus in Montevideo" und "Frauenarzt Dr. Praetorius"
- der Humor hintergründiger ist und in den handelnden Personen liegt,
steht in diesem Film aus dem Jahre 1938, der übrigens 1940 verboten
wurde die Pointe um der Pointe willen. Wie in den meisten seiner Filme
spielt Curt Goetz auch hier die Hauptrolle, führt Regie und schrieb auch
das Buch.
Zurück zum Anfang
L' eta dell' amore (Italien) (Erste Liebe)
Produktion: Universum-Film (1953)
Regie: Lionello de Felice
Kamera: Mario Moutuori
Buch: L. de Felice nach dem Bühnenstück "Mutter Natur" von André
Birabeau
Musik: Mario Nascimbene
Darsteller: Marina Vlady Versois; Aldo Fabrizi; Peter Michel Beck;
Fernand Gravey; Xenia Valderi; Vittorio Sanipoli
Dieser Film greift ein oft behandeltes Thema auf und verarbeitet es in
der den italienischen Filmen eigenen realistischen Art. Durch ein
liebloses und zerrüttetes Elternhaus einerseits und einen Mann, dem die
Eigenschaften eines guten Vaters trotz schlimmster sozialer Verhältnisse
mit natürlicher Selbstverständlichkeit eigen sind, andererseits wird ein
scharfer Kontrast gebildet. Wem der Sohn aus den sozial guten, aber
moralisch ungeordneten Verhältnissen sich mehr und mehr dem Elternhaus
entfremdet und sich da anlehnt, wo er Verständnis findet, wird uns das
Anliegen dieses Films klar: Jeder Mensch braucht Liebe und Wärme.
Aldo Fabrizi hat hier in der Rolle des guten Vaters, aber kleinen
Gauners, ein abgerundetes Menschenbild gestaltet.
Zurück zum Anfang